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Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Titel: Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Wissen
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etwas … nun, sagen wir: handfesterer Natur. Aber da ich das wusste, startete ich ja die Aktion Flüsterton.
    „L oli?“, drehte ich mich zu Lotte-Liese um, „kannst du meinem Onkel ausnahmsweise ein paar Briefmarken hier verkaufen?“ Es war eine Todsünde, sich für einen banalen Briefmarkenkauf an den Paketschalter anzustellen. Jeder ordentliche Postbenutzer der späten 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wusste das. Deshalb fragte ich ja auch ganz kleinlaut.
    Aber Lotte-Liese war ihrer Zeit immer schon ein bisschen voraus – nicht klamottentechnisch, da war sie eher in den frühen Seventies stehen geblieben mit ihren selbstgehäkelten Rollkragenpullovern und den Jeans mit Schlag – und gab mir mit einem emanzipierten Augenzwinkern die Marken, die mein Onkel haben wollte. Der sich dann auch zunehmend beruhigte und zu einem halbwegs gesunden Teint zurückkehrte. Die Krise schien überwunden!
    Schien …
    Denn just in dem Augenblick, als Onkel Karl sich aufmachen wollte, die Schalterhalle zu verlassen, hatte Hermann seine Butterbrotdose geschlossen, sich eine Zigarre angesteckt und kehrte mit selbiger im Mund und umgeben von einer dicken Qualmwolke an seinen, unseren Schalter zurück.
    Warum dachte Onkel Karl auch nicht mal eine Sekunde länger nach? Dann wäre er nicht bei dem Versuch gescheitert, Hermann Sommermeyer „ens in die Fress zu ballere“ … durch die Panzerglasscheibe.
    Ich weiß nicht wie viele Wochen er diesen Gipsverband an der rechten Hand hatte. Ich glaube aber, dass er von jenem Tag an tief empfundenen Hass gegenüber allen zigarrenrauchenden, blau-grau gekleideten, frühstückenden BILD-Zeitungslesern empfand …

 
     
     
     
     
     
     
     
     
    "Und der Name auf dem Telegramm kostet wirklich nichts?", vergewissert sich McAllister auf dem Postamt.
    Der Mann hinterm Schalter nickt: "Nur der Text wird berechnet."
    Da legt der Schotte den Kugelschreiber weg und sagt:
    "Vielleicht sehe ich nicht so aus, aber ich bin ein Indianer und heiße: Ankommemorgenfrühachtuhrdreißigmitice."

Franz hat Angst
     
    An jenem Schalter 1, an dem ich meine ersten Wochen im Meerbuscher Postamt verbringen sollte, hatte ich es nicht nur mit Hermann Sommermeyer zu tun. Naturgemäß, wenn ein Schalter von acht bis achtzehn Uhr geöffnet ist, musste es da noch jemand geben, der so einen Hermann ablöste. Und den gab es auch – den Wasner Franz.
    Wer jetzt glaubt, dass Franz Wasner ein waschechter Bayer war, der täuscht sich. Nein, der gute Herr Wasner kam aus Pommerland. Und da jenes ja laut einem Text aus  dem Liederbuch meiner frühesten Tage, „Die schönsten deutschen Kinderlieder“, schon vor längerer Zeit abgebrannt war, war der Herr Wasner mit seiner Frau und seinem Sohn eben ins Rheinland geflüchtet.
    (Ich hatte nie verstanden, was dieses Pommerland sein sollte und warum man darüber ein Kinderlied geschrieben hatte. Wenn man mal überlegt, mit welchen Brutalitäten die armen kleinen Seelen zu dieser Zeit konfrontiert wurden! Ein Pommerland wird niedergebrutzelt – die armen Menschen, die da wohnten! Und denen fiel nix Besseres ein, als fröhliche Lieder darüber zu texten. Das sollte man heute mal mit Kindern machen – die bekommen doch den Schock fürs Leben, die sensiblen kleinen Wesen.
    ( Wer Ironie in diesem Absatz findet: Behalten Sie sie ruhig.)
    Zurück zu Franz Wasner. Im Grunde hätten er und der Hermann Brüder sein können, so konservativ wie sie beide waren. Aber so wie Hermann durchs Postlerleben polterte, so schlich sich Franz förmlich da durch. Wenn er abends nach Dienstschluss seinen Hut – eines der berüchtigten Modelle, die gern mal auf der Rückablage eines Opel neben der gehäkelten Klorolle liegen – aufsetzte, seinen grauen Schal akkurat um den Hals drapierte und den zu kurz und zu eng geratenen Kamelhaarverschnitt-Mantel anzog und mit der steif in der Hand hängenden Kunstlederaktentasche zum Bus schritt, dann hatte man immer das Gefühl: Wenn er gleich im Bus auf einem Platz sitzt, dann kommt bestimmt der Nächste und setzt sich auf seinen Schoß – einfach weil diese Person übersehen hat, dass da schon der Franz saß, so farblos wie jener wirkte.
    Und mit jenem grauen Wesen hatte ich es also ab jetzt jeden zweiten Tag zu tun, denn die beiden Herren hatten sich darauf verständigt, dass ich, der Lehrling, wie Hermann mich konsequent treudeutsch nannte, immer beim Frühdienst dabei sein sollte – jeden Tag von acht bis dreizehn Uhr. Nun gut, das erinnerte

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