Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen
an jedem Ort. Die Beispiele Xaver und Jürgen haben es schon gezeigt, aber sie waren beileibe nicht die einzigen, die komische Sachen machten, wenn sie sich im Dienst ein paar Schlückchen genehmigt hatten. Ich selbst gehörte bald auch dazu …
Noch während meiner Ausbildung fing es an. Ich muss dazu sagen, dass ich ohnehin alkoholisch gesehen ein Sp ätzünder war. Erst auf der Party zum 18. Geburtstag meines Cousins – ich war da 17 – nahm ich notgedrungen, weil von eben jenem gezwungen, meinen ersten Schluck Bier zu mir. Aber postalisch gesehen war das ein optimales Timing, wurde ich doch rechtzeitig zur Halbzeit der Lehre zum Säufer umgepolt.
Diese neu erworbene Eigenschaft kam mir dann auch beim zweiten Weihnachtsverkehr meiner Karriere zugute, den ich ausgerechnet am Paketschalter verbringen durfte.
Angesichts der Berge von Paketen, die dahin angeschleppt wurden, hätte man sich schon selber tagtäglich eine Flasche Schnaps oder ähnliches mitbringen sollen, um den Tag zu ertragen. Schließlich stand man zehn Stunden da, man schleppte und ächzte – und nie war auch nur eine Lücke da, durch die man hätte den Rest der Schalterhalle sehen können. In diesen Wochen bekam ich einen Eindruck davon, warum 10 Jahre später die DDRler lieber die Mauer einreißen wollten statt noch jahrzehntelang Pakete von drüben zu kriegen – die Mauer aus selbigen vor mir war der in Berlin nämlich nur allzu ähnlich: Man fühlte sich eingesperrt, da wie hier.
Denn nicht nur von vorne rollte die Karton-Lawine – nein: Durch den Hintereingang schoben die Paketzusteller Nachmittag für Nachmittag riesige Karren voll mit Sendungen in unser Lager, die sie nicht an die Frau oder den Mann gebracht hatten, weil selbige gerade auf Shoppingtour in Düsseldorf weilten oder so.
Während wir selbstverständlich mit den Paketen, die aufgegeben wurden, sehr sorgsam umgingen und sie niemals geworfen hätten oder so ( Ein Schelm wer Böses dabei denkt – Ey, die Teile mussten laut Postordnung schließlich sicher verpackt werden! Eigene Schuld, wenn die dann mal einen kleinen Schaden abbekamen, weil sie … ohne jede Absicht! …runterfielen. Aber das habe ich jetzt nicht geschrieben! ), gab es unter den von den Fahrern wieder mitgebrachten zur Weihnachtszeit sehr viele Weinpakete. Und die interessierten anscheinend viele ihrer Empfänger nicht so sehr, sie holten sie jedenfalls nicht innerhalb der Siebentagefrist ab. Entweder weil sie Antialkoholiker waren oder den Weinkeller schon voll hatten. Oder weil sie gar nicht wussten, dass sie ein Paket bekommen wollte, weil der Zusteller leider vergessen hatte, ihnen die rote Benachrichtigungskarte einzuwerfen – was für ein Pech!
Was für ein Glück! Für uns arme, notleidende Postler auf jeden Fall. Denn wenn die Frist abgelaufen war, dann kam es darauf an, welchen Rücksendewunsch die Absender des Weins angegeben hatten. Und weil die offensichtlich keine Böcke hatten, nach dem Fest ihrerseits mit unzustellbaren Paketen zugemüllt zu werden, schrieben sie oft darauf: „Bei Unzustellbarkeit preisgeben“. Was so viel hieß wie: Liebe Post, versteigert die Plörre!
Aber soweit ließen wir es nicht kommen – es wusste ja keiner, dass es diese Pakete überhaupt je gegeben hatte! Der Empfänger wollte sie nicht, der Absender auch nicht, also blieb nur eine Lösung: Wir mussten uns opfern!
Uneinsehbar für die Kunden wurden die betreffenden Kartons geöffnet und begutachtet. Schließlich wollte man ja nicht jede Sodbrennen auslösende Brühe trinken. Wenn dann der Inhalt unter allen Kollegn zustimmendes Kopfnicken hervorgerufen hatte, griff einer in die Schreibtischschublade, um den Korkenzieher raus zu holen, während die anderen ihre Kaffeetassen – Tarnung ist alles – schon bereit hielten.
Die Atmosphäre an den Nachmittagen in den Weihnachtswochen im Postamt Meerbusch 1 war immer sehr beschwingt und ausgelassen …
Die Kunden wussten die gute Laune sehr zu schätzen. Sie glaubten wirklich, wir liebten unseren Job und hätten Spaß daran. Wir ließen sie in dem Glauben. Schließlich war es nur einer, der Wein nicht vertrug, stattdessen Bier trank und dauernd den Rollladen runter kurbelte.
An einem Tag der Adventszeit aber, da wurde jeder Wein überflüssig – ja, an diesem Tag erfolgte die wirkliche, die einzig wahre Bescherung! Nämlich dann, wenn die Geschenke – und in diesem Fall waren sie wahrhaftig an uns selbst gerichtet! – eine s großen örtlichen
Weitere Kostenlose Bücher