Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen
Prozesse ohne Ende geführt werden, der Bundestag hätte bereits Dutzende Debatten über dieses Thema geführt und die Grünen hätten die Post als solches schon längst verboten. Aber Ende der Siebziger im letzten Jahrhundert war ich mir selbst überlassen.
Und so schlich ich mit den a nderen Restalkoholisierten die Treppen zum Betriebsleiter-Büro hoch.
Wo sich alle meine Sorgen in Luft auflösten, denn Lotte-Liese Hirschhügel legte sogleich ein umfassendes Geständnis ab. Was Herrn Grothe dann wieder in seine alte ruhige Grundhaltung zurück versetzte.
Er verurteilte die Schuldige dazu, herauszufinden, wo es diese Klebebuchstaben zu kaufen gäbe (ohne Internet – die Arme wälzte tagelang die Gelben Seiten und telefonierte sich die Finger wund…), selbige auf eigene Kosten zu erstehen sowie sie dann eigenhändig aufzukleben. Und alle bekamen wir zur Auflage, nie wieder – also wirklich nie wieder ! – auch nur ein einziges Einschreiben abzulehnen.
Innerlich tausend Stoßseufzer machend zogen wir die Treppen wieder runter . In Anbetracht der gerade überstandenen Krise und der Tatsache, dass noch ein paar Minuten bis zur Schalteröffnung blieben, öffnete Jürgen Schack seinen Tresor, in dem zufällig eine Flasche Remy Martin stand …
Ein neuer Arbeitstag konnte beginnen.
„ Dieser Brief ist viel zu schwer, da muss noch eine Briefmarke drauf!”
„ Dadurch wird er aber auch nicht leichter!”
12
Wenig Spaß mit zu viel Geld
Es gehörte zum Wesen der Ausbildung als Postassistentenanwärter, dass man in alle Dienststellen, die es bei der Post so gab, zumindest einmal rein schnupperte. Ob das für die Zeit nach der bestandenen Laufbahnprüfung Sinn machte, das stand auf einem anderen Blatt. Irgendwer hatte irgendwann mal irgendeine Dienstvorschrift erlassen, die besagte, dass Post-Azubis das so zu machen haben – und so hatte es dann auf Teufel komm raus zu sein.
Dieser Umstand trieb mich dann auch zur Geldsammelkasse.
Bis zu meinem ersten Tag dort hatte ich mir gar keine Gedanken gemacht, wo das ganze Geld her kam, das ich am Schalter auszahlte und wo die vielen Scheinchen und Münzen, die ich eingenommen hatte, abends hingebracht wurden von dem gelben Spezialtransporter, in den durch eine Luke immer diese silberfarbene, verplombte Blechkiste gereicht wurde, das alles unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen. Die darin bestanden, dass ein angeschwipster Xaver als Bodyguard mit auf den Hof raus musste, während Hans Kaisergarten den Geldwagenfahrern die Kiste übergab. Da konnte ja gar nix passieren – wer hätte sich unter diesen Umständen schon einen Überfall getraut???
Ich war nun also für die Dienststelle eingeteilt, in der all diese Kisten geöffnet, geleert, gefüllt und wieder verschlossen wurden. Die Geldsammelkasse war völlig unspektakulär im Gebäude des Postamtes 1 in Düsseldorf untergebracht. Ich könnte heute nicht mehr sagen, ob der vergleichsweise kleine Raum speziell gesichert war, zum Beispiel durch Stahlwände. Es gab eine Türcodierung, das weiß ich noch. „Hier ist immer Heiligabend, hehe!“ zwinkerte mir der Kollege zu, der mich am Gebäudeeingang abgeholt hatte und mir vor der Tür zur Sammelkasse die vierstellige Zahlenkombination verriet. Im Laufe der weiteren Jahre und im Zusammenhang mit mehreren Zugangscodes bekam ich den Eindruck, dass bei der Post immer irgendwie Heiligabend ist – wie praktisch!
Zwei – Vier – Eins – Zwei … Piep! … und die Tür ließ sich aufdrücken.
Dass meine Augäpfel nicht Sekunden später auf dem Boden herum kullerten, das ist eigentlich ein Wunder. Denn sie mussten in diesem Moment kurz davor
gewesen sein, mir aus dem Kopf zu fallen: Vor mir stapelten sich Geldscheintaschen über Geldscheintaschen! Mir wurde schwindelig – schließlich wusste ich ja von meinen ersten Schalterwochen her, dass in jedem der blau bedruckten Umschläge satte fünfzig Hunderter, also fünftausend Deutsche Mark steckten. Und selbst die rot bedruckten mit ihren zwanzig Fünfzig-Mark-Scheinen immer noch einen satten Tausender beinhalteten. Ganz zu schweigen von den zahllosen Kisten, in denen Münzrollen lagen. Das alles türmte sich an allen Wänden von Tischen bis fast unter die Decke – für einen Jungen vom Land ein schier unfassbarer Anblick! Bisher dachte ich immer, dass die Leerung meiner Spardose am Weltspartag das Nonplusultra gewesen ist. Schließlich stellte die Münzmenge, die aus dieser
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