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Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Titel: Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Wissen
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ruckzuckschluck! eine Dose geleert. Man konnte zwar nicht sagen, dass wir so gar nichts von seinem  Trinkverhalten gemerkt hatten, aber wir hatten nie gewusst, wie er das anstellte, dass er bis zum Feierabend meist strunzvoll war. Jetzt war es allen klar.
    Große Konsequenzen hatte dieser Vorfall nicht. Es wurde eine „Verhandlungsschrift“ gemacht, man könnte sagen, eine entschärfte Form von Abmahnung. Denn selbst wenn man mehrere davon bekam, so führte das nicht automatisch zur Entlassung, sondern maximal zu einem Disziplinarverfahren, wo man dann vielleicht nach ewigen Monaten eine zeitweilige Gehaltskürzung oder ähnliches aufgebrummt bekam – aber auch dazu kam es eher selten, denn es war den Verantwortlichen viel zu viel Arbeit, also verfuhr man lieber nach der „Schwamm drüber, aber nicht noch einmal, Kollege!“-Methode und vergaß das Geschehene schnell wieder.
    Man könnte mir nun vorwerfen, dass ich hier um des Effektes willen das Schicksal eines alkoholkranken Kollegen ausweide. Aber ich möchte Ihnen als Leser auch nicht die Kehrtwende im Leben des Jürgen Schack vorenthalten, für den er noch heute aufrichtigen Respekt von mir hat.
    Es war am letzten Arbeitstag eines Monats immer Usus, dass man i m Kollegenkreis essen ging. Schließlich hatte man soeben den Monatsabschluss hinter sich gebracht und sich nun eine Stärkung und das ein oder andere Gläschen verdient.
    An jenem Abend des 30. April, auf den angenehmerweise ja immer der arbeitsfreie 1. Mai folgt, trieb es also ein halbes Dutzend Postler, darunter auch Jürgen, zum Griechen in den benachbarten Stadtteil Osterath.
    Grieche. Das bedeutet Gyros, Zaziki, Hellasplatte. Aber auch: Ouzo. Und Bier. Und Ouzo. Und Bier. Über Stunden, bis in die tiefe Nacht. Welche den guten Jürgen dann auch wesentlich früher befiel als uns andere, hatte er doch schon einen ganzen Tresorinhalt intus und trank für jemand, der sonst konsequent nur Bier, aber keinen Schnaps zu sich nahm, verdammt viel Anislikör. Oder um es anders zu beschreiben: Es knallte ganz gehörig, als er auf dem blau-weiß gefliesten Restaurantboden aufschlug, weil er auf dem Stuhl keinen Halt mehr fand. Aber es war ihm nichts passiert, Besoffene und kleine Kinder haben halt immer das sprichwörtliche Glück gepachtet. Wie sich später herausstellen sollte, galt das für Jürgen nur bedingt…
    Wie er so da lag und verzweifelt versuchte, sich am Tischbein wieder hoch zu ziehen, beschlossen wir, nun doch besser den Heimweg anzutreten. Mit vereinten Kräften und nicht ohne – unabsichtlich! – Jürgens feuchteste Träume zu erfüllen und sein Gesicht gegen Kollegin Heidis Atombusen zu drücken, packten wir ihn zu zweit, schleiften ihn zu Heidis Auto und verfrachteten seine nahezu drei Zentner Lebendgewicht auf dessen Rückbank. Ich fuhr auch noch mit, weil Heidi allein ihre menschliche Fracht vor dessen Zuhause nicht wieder aus dem Wagen bekommen hätte.
    Was aber auch gar nicht nötig gewesen wäre, denn erstaunlicherweise wusste Jürgen, wo er aussteigen musste, wie er eine Autotür öffnete, dass man zum Aussteigen erst die Füße raus setzt und dass man erst bei grün über die Ampel geht.
    Gut, wir waren erleichtert: Die Haustür hatte er erreicht, er fummelte mit dem Schlüssel am Schloss rum, den Rest würde er jetzt auch noch packen. Wir fuhren beruhigt nach Hause.
     
    Zweiter Mai, frühmorgens: „Ihr müsst mit zwei Schaltern klar kommen, ich hab keinen Ersatz für Jürgen.“ Conrad Wibbel war mies gelaunt, wie eigentlich immer um diese Uhrzeit. Ich konnte es ihm aber auch nicht verdenken, denn erstens schlief ich auch gerne länger und zweitens hatte er den undankbarsten Job des ganzen Amtes: Er musste Morgen für Morgen über ein Dutzend gackernde Verteilfrauen beaufsichtigen … ein Vergnügen, das auch ich in meiner weiteren Laufbahn noch haben sollte. Aber dazu kommen wir noch.
    „Wieso? Was ist denn mit Jürgen?“
    „Er ist im Krankenhaus. Eine Nachbarin hat ihn vor seinem Kellerwohnungsfenster liegend gefunden, nachts, er war betrunken und ohne Bewusstsein.“
    Uns wurde schlecht, vor allem Heidi und mir. Wären wir doch geblieben und hätten ihm in die Wohnung geholfen!
    „Was hat er denn nun?“ Dass man dem Wibbel aber auch alles aus der Nase ziehen musste!
    „Magendurchbruch, sieht böse aus … Naja, bei den Mengen Alkohol kein Wunder.“
    Puh, das war ein Schlag in unsere Magengruben. Wir hatten es ja in der Hand, ihn wenigstens vom Ouzo abzuhalten –

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