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Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Titel: Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Wissen
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den beiden Verbliebenen saß am Schalter Nr.2 der Kollege Penning, am ersten dann meine Wenigkeit. So weit, so gut.
    Penning , ein Mensch mit einem hohen Maß an Gemütsruhe, war nicht unbedingt der Schnellste und hielt auch gern mal ein kurzes Schwätzchen mit diversen Kunden, was ja irgendwie auch zum Job dazu gehörte. Jedenfalls solange es nicht ausartete. Das allerdings tat es jede Woche an den beiden besagten Tagen.
    Ich wusste genau, was passieren würde, wenn Heinrich Penning aufstand, fünf Schritte nach hinten ging, an den Tisch im Nebenraum, um sich dort aus seiner Thermoskanne Kaffee nachzuschenken und dann laut zu rufen:
    „ Kumm, Hans-Josef, he is doh!“
    Dann dauerte es nur noch Sekunden, bis Hans-Josef Hügen, ebenfalls mit einem großen Pott Kaffee bewaffnet, hinter den Schaltern auftauchte und zusammen mit Penning den Fahrer der Firma Großtrara, einem damals deutschlandweit bekannten Sanitärfachhandel, mit folgenden Worten lautstark begrüßte:
    „ Nee, wat wor do al wier los!”
    Nein, was war da schon wieder los – dienstags in Dallas und mittwochs in Denver.
    Denn genau das wurde en Detail am jeweils folgenden Werktag durchgekaut. Jede Prügelei zwischen Alexis und Krystle Carrington wurde genauestens analysiert. Bei der Wiederauferstehung von Bobby Ewing unter der Dusche wusste einer der drei Herren garantiert die exakte Anzahl der Brusthaare Patrick Duffys. Natürlich war auch die Körbchengröße von Lucy Ewing Thema, ebenso wie Blake Carringtons uneheliche Töchter und Söhne. Gab es die? Ich wusste es nicht – denn ich konnte ja an der Manöverkritik über die Kriegsführungen zwischen amerikanischen TV-Luxussippen nicht teilnehmen! Schließlich war ich ja der Depp an Schalter 1, der während der elegischen Erörterung der Ewing- und Carringtonschen Fürze eine Kundenschlange bis raus auf die Straße zu bewältigen hatte!!!
    Was die beiden Kollegen und Mr. Gr oßtrara nun mal so gar nicht störte. An keinem Mittwochmorgen. Und auch an keinem Donnerstagmorgen.
    Und was mich am meisten aufregte: Die wartenden Kunden meckerten nur mich aus – zu den Herren einen Meter weiter rechts sagte niemand auch nur eine annähernd nach Missmut klingende Silbe. Da war sie also, die berühmte Arschkarte. Und wer hatte sie gezogen? Ich mal wieder.
    Warum um alles in der Welt mussten sich gestandene Männer solche Serien angucken, die – seien wir mal ehrlich – doch eher was für die Damenwelt war en? Jene Frauen, die anderentags dann gern mal die Geschäfte stürmten, um nach Mrs. Carringtons schreiend türkisfarbenem Bolero mit den auffälligen XXL-Schulterpolstern Ausschau zu halten.
    Aber dickliche Männer in hellblauen Pilotenhemden und grauer Polyesterhose, die sich für die Welt der Reichen – und vor allem der Schönen! – begeisterten? Das war doch wohl ein Widerspruch in sich. Und eine Frechheit gegenüber armen Jung-Postlern, die für solche Plauderstündchen schamlos missbraucht wurden. JA ! Missbraucht ! Das ging auch damals schon nicht nur in Häusern mit spitzem Turm dran! (Wobei, okay, der Fairness halber: Ich hab heute nicht mehr an den damaligen Vorfällen zu kauen – im Gegensatz zu den anderen.)
    Penning und Hügen arbeiteten übrigens an den anderen Wochentagen recht fleißig. Deswegen war es sehr verwunderlich, warum mittwochs und donnerstags überhaupt Kunden kamen. Denn irgendwann musste doch jeder halbwegs intelligente Osterather mitbekommen haben, wie der Hase so läuft im Dorf-Postamt. Aber wahrscheinlich machte für sie genau das den Charme aus: Man stand Schlange, konnte sich ärgern und erfuhr so ganz nebenbei alles, was man am Vorabend verpasst hatte, weil man auf Tante Friedas langweiliger Geburtstagsfeier eingeladen war.
    Ich wusste jedenfalls nun, warum Mama öfters mal den Satz „ Osterath, der Weg zur Hölle“ fallen ließ. Zumindest an zwei Tagen in der Woche waren die rund sieben Kilometer zwischen Büderich und Osterath für mich ein solcher Weg. Für Nicht-Meerbuscher sei trotzdem erklärt: Das hat angeblich in grauer Vorzeit ein Pastor gesagt, weil es beim Osterather Schützenfest oft zu Schlägereien gekommen war und weil die Jungs aus Büderich auf halber Strecke zwischen den beiden Dörfern schon mal gern ein Gspusi mit den Osterather Mädels anfingen – und das war für einen Pastor wirklich die Hölle! Knutschen und Katholisch – diese beiden K passten noch nie wirklich zusammen.

 
     
     
     
     
     
     
     
    Paul kommt von der Post heim und

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