Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen
Bretter quer über den Körper drapiert. Bequem war anders, aber es war auszuhalten. Schließlich würde ja bald Rettung nahen. Dachte ich zumindest.
Stunden später.
Meinen Rücken spürte ich nicht mehr, die Steine hatten sich, so schien es mir, inzwischen durch meine Wirbelsäule gefressen. An den Brettern hatte ich mir mittlerweile beide Hände blutig geschrammt. Wenigstens würden die Kollegen Sanitäter daran ganz real demonstrieren können, was sie gelernt hatten – so ich sie denn noch jemals zu Gesicht bekommen sollte.
Draußen dämmerte es langsam …
Plötzlich: Stimmen!
„Warum sacht uns dat auch keiner, dat da noch der Typ mit dem Pickeljesicht drin liecht?“
Jau , keine Frage – die suchten mich. Wegen der ausgeprägten Akne wurde ich immer wieder diskriminiert. Es war beispielsweise nicht wirklich schön, in einen Bus einzusteigen und von zwei kichernden Dummhühnern mit „Guck mal der Streuselkuchen!“ begrüßt zu werden … Ich hoffe, den beiden Bratzen wurde wenig später Unfruchtbarkeit attestiert. Es gibt einfach Dinge auf diesem Planeten, die dürfen sich nicht vermehren – nie, niemals!
Die Stimmen kamen näher. Bald würde ich gerettet sein. Inzwischen fühlte ich mich auch schon wie jemand, der tatsächlich hilfebedürftig ist. Während alle anderen Essen und Trinken bekommen hatten, war ich inzwischen dehydriert und abgemagert. Meine 2,50 DM Verpflegungspauschale hatten mir da mal so was von gar nichts genutzt. Seit gefühlten 72 Stunden lag ich da auf diesem Steinberg – ein Wunder, dass ich noch nicht dahin geschieden war.
Taschenlampen schienen mir ins Gesicht.
„Da liecht dat faule Schwein. Mer sin am Schläuche rollen und dä mäkt Siesta dä janze Daach.“
Na wartet, die Sprüche sollten sich rächen. Was Dienst nach Vorschrift hieß, das hatte ich in den letzten zwei Jahren zur Genüge gelernt. Und meine Anweisung für diesen Tag lautete: Stell Dich ohnmächtig und beweg dich nicht!
Genau das tat ich von diesem Moment an. Und die Kollegen von der Bergung hatten nicht den Hauch einer Chance, mich dazu zu bewegen, etwas anderes zu tun. Denn zu ihrem Pech war einer der Ausbilder zu ihrer Begleitung mitgekommen – und der wollte jetzt Leistung sehen. Tja, Hochmut kommt vor dem Tragen.
Denn nun mussten die Großmäuler meine zwei Zentner erst einmal von dem Felsstapel runter wuchten und sie dann auf die Trage hieven. (Ja, noch war es eine Trage … wenig später wäre eine Bahre die richtige Wahl gewesen. Aber ich hatte ja überlebt. Ich wusste nur noch nicht, ob das auch so bleiben würde.)
Ich geno ss, wie sie ächzten, stöhnten und fluchten. Und ich machte mich extra steif. Keine Millisekunde half ich durch eigenständige Bewegung mit. Man muss auch mal Schwein sein, das hatte ich damals schon gelernt.
Geschätzt eine halbe Stunde später hatten sie mich auf der Trage fixiert. Jedenfalls berichteten sie es so dem Ausbilder, der dann zur Antwort gab:
„Dann wollen wir mal testen, ob der wirklich sicher da drauf liegt. Wenn alles richtig ist, dann fällt er beim Transport nicht runter … Selbst dann nicht, wenn ihr ihn mit dem Gesicht nach unten tragt…“
WAAAAS???? Das war nicht sein Ernst! Der wollte doch nicht wirklich, dass diese Spielkinder die Trage umdrehten, so dass ich unter ihr in den Gurten hängen und den Boden anstarren konnte?!
Doch genau so stellte er sich das vor. Und die Trage wurde umgedreht. Und die Gurte waren nicht fachgerecht befestigt …
Ich bin heute noch dankbar, dass sie überhaupt irgendwie festgezurrt waren. Denn immerhin blieb ich in ihnen hängen. Zwar wie ein abgestochenes Schwein, dass man zum Schlachter trägt, aber: Ich hing, mein Gesicht blieb davon verschont, vom Geröll im Bunker geschmirgelt zu werden. Vielleicht hätte es ja wie ein Peeling auf die Akne gewirkt, aber ich wollte es nicht drauf ankommen lassen und war froh, dass der Weg aus dem Bunker heraus ohne Bodenkontakt verlief. Man ließ mich – vielleicht aus Boshaftigkeit – zwar noch ein paar Mal aus den Händen rutschen, aber fing mich kurz vorm Aufprall wieder auf. Ich hatte doch nette Kollegen.
Nach dieser Übung änderte sich alles. Irgendwelche Neider von Malteser-Hilfsdienst oder THW, weiß der Geier, waren darauf aufmerksam geworden, dass der Katastrophenschutz-Dienst bei der Post mehr oder weniger larifari war. Sie selbst mussten hundert Stunden und mehr pro Jahr nachweisen und dafür ihre Freizeit opfern – und wir Post-Ersatzdienstler
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