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Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Titel: Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Wissen
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gibt der Mutter das Geld zurück, das sie ihr mitgegeben hatte: “Da hast du das Geld wieder”, sagt sie, “das du mir für die Briefmarken mitgegeben hast. Ich habe die Briefe ohne Marken in den Kasten geworfen, als niemand hergeschaut hat.”

14
     

Hätte man doch nur verweigert…
     
    Als ich mit der Au sbildung fertig war, war ich süße 18. Ein Alter, in dem auf einen jungen Mann in der Bundesrepublik noch eine Zeit wartete, die ich so ganz und gar nicht herbei sehnte: der Grundwehrdienst bei der Bundeswehr.
    Schon als Sechsjähriger hatte ich die blanke Panik davor. Ich erinnere mich bis heute an den Tag, an dem mir ein gewisser Harry, seines Zeichens LKW-Fahrer im Bauunternehmen meines Opas, mit erhobenem Zeigefinger in seinem sehr spezifischem Dialekt – nicht Platt, nicht Hochdeu tsch – drohte: „Pass auf! Komm du mal zum Bund, da treibense dich das aus, dat mit dem läppsch sein!“ Alles wegen dieses dämlichen Balkens, über den er gestolpert war, weil dieser mitten auf dem Bauhof lag. Ja mein Gott! Irgendwo musste ich doch meinen Fahrrad-Hindernis-Parcours aufbauen – was konnte ich denn dafür, dass Harry da gleichzeitig arbeiten musste?
    Jedenfalls erzeugte seine Schimpferei Wirkung. Heulend lief ich zu Muttern und wurde nicht müde, in Endlosschleife zu schreien: „Ich will da nicht hin! Ich will da nicht hin! Ich will kein Soldat sein!“
    Das nicht etwa, weil ich schon als Steppke mit dem Gedanken spielte, mich der Friedensbewegung anzuschließen – nein: Ich hatte pragmatischere Gründe. Ich war immer schon ein reinlicher Mensch, und ich sah mich nun wirklich nicht sinnlos im Schlamm rum robben. Zudem – und das hat sich auch bis ins reifere Alter gehalten – wollte ich mir nicht von irgendwelchen kleingeschlechtsteiligen Sterneträgern fragwürdige Befehle erteilen lassen. Mir reichte es, wenn Oma sagte: „Geh Kartoffeln holen!“ oder Mama: „Räum dein Zimmer auf!“ Und das waren Frauen! Wie klein sollte ich mich erst von einem Mann machen lassen? Nein, nein, das wollte ich nicht.
    Auch mehr als ein Jahrzehnt später noch nicht. Erst recht nicht an jenem Tag, an dem der Erfassungsbescheid ins Haus flatterte. Ich hätte den Kollegen Briefträger ermorden können, als er mir den blauen Briefumschlag persönlich überreichte. „Kreiswehrersatzamt ist der Absender … Nu geht et bald los. Freuste dich, Jung?“
    ,NEIN! Du komischer Mann in deinen lächerlichen Klamotten – ich freue mich
    ganz und gar nicht!‘, dachte ich. Ich war ja zu der Zeit wirklich loyal zu meinem Arbeitgeber und allem und allen, die damit zu tun hatten – aber hier hätte ich Lynchjustiz ausüben können.
    Der Tag war gelaufen, ich war panisch. Mir schossen Bilder in den Kopf, wie ich blutüberströmt in Matschepampe auf irgendeinem Schlachtfeld im tiefsten Russland liegen würde, und das nur, weil mich so ein blöder Militärarzt bei der – nun ja wohl kaum noch vermeidbaren – bevorstehenden Musterung „Voll tauglich“ befinden würde. Ich musste handeln. Aber wie?
    Wieder einmal erwies sich der Hans, der mich bereits auf Schleichwegen bei der Post untergebracht hatte, als Retter in der Not. Denn just an dem Tag, an dem ich – dem Suizid nahe – mit jenem blauen Brief in der Hand in meinem Zimmer vor mich hin darbte, traf mein Vater den Hans abends in der Kneipe. Und er erzählte von meinem großen Unglück.
    „Na, der soll mal nicht gleich von der Kniebrücke (das ist die Brücke, die zum Düsseldorfer Fernsehturm führt … aber das nur nebenbei) springen. Es gibt da eine Möglichkeit …“.
    Hans erklärte meinem Papa, dass Behörden – und nichts anderes war die Deutsche Bundespost Anfang der Achtziger noch – jeweils einen eigenen Katastrophenschutz haben. Denn im Ernstfall, also beispielsweise einem Dritten Weltkrieg (Haha, wie naiv die Menschen doch waren! Als ob der noch irgendwelche Katastrophenhelfer erfordern würde. Bombe! Bombe! Wuuusch! Wuuusch! Krieg aus, Erde leer! – So die Kurzfassung von World War III.), sollten die staatlichen Einrichtungen sich selbst zu helfen wissen und nicht auch noch von freiwilligen Feuerwehren etc. versorgt werden müssen.
    Und jene Katastrophenschutzeinrichtungen waren besetzt durch eigentlich Wehrpflichtige wie ich bald einer sein sollte, die sich – statt zur Bundeswehr zu gehen – für zehn Jahre verpflichteten, an den Übungen des jewei ligen KatSch, wie er kurz genannt wurde, teilzunehmen.
    Zehn Jahre! Ich würde also kurz vor der Pension

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