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Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Titel: Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Wissen
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hatten den absoluten Lenz.
    Die Kläger bekamen jedenfalls von allen Seiten Recht und so erging der Erlass des Bundespostministers: Ab sofort leisten unsere Leute auch hundert Stunden pro Jahr – und die nicht etwa während der Arbeitszeit, nein! Ab jetzt wurde nach Feierabend und am Wochenende mit Schläuchen gespielt!
    Das große Hallo kann man sich wohl bildhaft vorstellen, das da unter uns KatSch’lern aufbrandete. Um es mit Queen Elsbeth zu sagen: „We were not amused.“
    Aber: Es gab Hoffnung, aus der 100-Stunden-Nummer einigermaßen unbeschadet raus zu kommen. Denn unsere Katastrophenschutzleiter hatten auch
    keinen nennenswerten Drang, sich die Abende und Samstage mit einem Haufen Helferlein um die Ohren zu schlagen, die man eher vor sich selbst schützen musste als dass sie anderen im Krisenfall halbwegs sinnvoll beiseite stehen könnten.
    Und so kam Horst Kleinhecke, einer unserer Aufpasser, auf die phänomenale Idee mit den Nachtübungen. An zwei Wochenenden pro Jahr sollten wir uns dazu im Düsseldorfer Hauptpostamt versammeln, um dort von Samstagmittag bis Sonntagmittag die Zeit totzuschlagen. Dafür gab es dann 25 Stunden gut geschrieben, also per sé schon mal eine Stunde geschenkt. Aber: Wecken war sonntags, unter vorgehaltener Hand natürlich, bereits in aller Frühe. Spätestens um 8 Uhr konnten wir, zu größtem Schweigen verdonnert, das Postgelände verlassen und uns beim Goldenen M ein lecker McMuffin-Frühstück reinziehen.
    Bis dahin hatten wir sogar nicht nur Schläuche ausgerollt – nein! Es lief sogar echtes Wasser heraus! Schließlich musste der Parkplatz, wo all die schönen gelben Äutokes standen, auch mal sauber gemacht werden. Dafür waren wir also gut genug…
    Den überwiegenden Teil der Zeit saß man allerdings in der Kantine und spielte Skat. Oder sah dabei zu, wenn man wie ich dieses Spiel a) nicht kann und b) nicht mag. Irgendwann aber kam für jeden die Zeit zum Schlafen. Und das sollten wir im Luftschutzkeller des Postamtes…
    Keine Fenster, stickige Luft, tief unter der Erde – nee, nein, never, niente, nada!!! Niemals hätte ich da unten auch nur eine Minute verbracht! Bis heute kriege ich klaustrophobische Anfälle, wenn ich an diese Räumlichkeiten auch nur denke. Ich krieg ja schon nen Nervenzusammenbruch, wenn ich einmal im Jahr die Weihnachtsdeko aus der hintersten Ecke meiner fensterlosen und unter der Dachschräge liegenden Abstellkammer holen muss. Und dann sollte ich in einem Bunker schlafen??? Nee! Lieber als Held im Feuerwehrauto sterben als im Keller ersticken.
    Ja, richtig gelesen! Wenn es in jenen Nächten tatsächlich einen jener – Anfang der 1980er-Jahre zugegebenermaßen relativ unwahrscheinlichen – Luftangriffe gegeben hätte, dann wäre ich in einem echten Feuerwehrauto hinweg gebombt worden. Denn die Post hatte weder Kosten noch Mühen gescheut und sich für ihren Elite-Katastrophenschutz ein richtiges Löschfahrzeug, einen LF16 (oder eine andere Zahl dahinter, Feuerwehrmänner mögen mir verzeihen), angeschafft. Und der stand oben auf dem Parkdeck die meiste Zeit ziemlich sinnlos herum.
    Aber es gab ja mich und meine Platzangst. Nachdem ich bei Horst Kleinhecke genug gejammert hatte, tat ich ihm tatsächlich leid und er gab mir die Schlüssel zum roten Wagen. Dort verbrachte ich dann die Übungsnächte auf der Vorderbank, eingepackt in einen Schlafsack mit kaputtem Reißverschluss, was den Effekt hatte, dass ich fror wie Hulle, denn Oktobernächte können verdammt kalt sein. Aber immerhin: ich hatte frische Luft und Platz.
    Und es wäre der perfekte Luxus gewesen, wenn man mich sonntagsmorgens genau so früh geweckt hätte wie die Anderen – aber das geschah, wenn ich Glück hatte, erst gegen Mittag. Wenn man mich nicht komplett vergessen hatte.
     
    Die restlichen Stunden bekamen wir zusammen, in dem wir Kleinheckes Hecken schnitten, in seinem Schrebergarten einen Brunnen schlugen oder Bäume fällten. Dafür zeichnete er uns großzügig auch mal die doppelte Stundenzahl ab, so dass wir die hundert Stunden recht einfach zusammen bekamen.
    Weil im Jahr 1490 irgendein komischer Postkurs zwischen Dingeldong in Österreich und Dongelding in Belgien (wen die wahren Namen interessieren kann ja googeln) seinen Dienst aufnahm, fühlte sich die Bundespost dann bemüßigt, im Jahr 1990 das Motto „500 Jahre Post“ auszurufen und dieses Jubiläum in der Weise zu feiern, dass mal eben nahezu die komplette Düsseldorfer Altstadt quasi gelb gefärbt

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