Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen
bedient wurden, auf seinem Stuhl mehr lag als s aß und dabei das linke Bein auf dem Schaltertisch liegen hatte.
Und mir gefiel es auch nicht, dass er der ohnehin etwas tüdeligen Oma Kapolke ihr Wechselgeld locker aus dem Handgelenk zuschnippte und dabei die Worte: „Und nen Heiermann zurück!“ in die Halle johlte.
Thomas wechselte also auf meinen still geäußerten Wunsch hin bald den Ausbilder. Ich bekam als „Ersatz“ den Michael.
Nun ja …
Michael verstand seinen Job eigentlich ganz gut. Er konnte gut mit den Kunden, fand zu noch so schrecklichen Pflegefällen unter ihnen nahezu immer einen Draht. Fachlich hatte er bereits auch einiges auf dem Kasten, obwohl er gerade einmal im ersten Halbjahr seiner Ausbildung war.
Ich hatte den Eindruck: „ Jau, das passt!“ Bis zu jenem Morgen, an dem Michael zum Dienst kam und die Sache mit der inzwischen neu gestylten Dienstkleidung etwas falsch verstanden hatte.
Dominierten bis dahin die bereits mehrfach erwähnten Farben blau und grau unser aller Kleidung, gab es nun seit kurzer Zeit längsgestreifte Hemden und Blusen, und diese nicht nur in blau – nein, auch in grün und yeah! pink!
Diese drei Farben sollten die drei Bereiche Briefdienst, Bankdienst und Telekom symbolisieren, und für alle drei Sparten waren wir am Schalter schließlich tätig. Was für ein erhebendes Gefühl, künftig eine so wahnsinnige Vielfalt im Kleiderschrank zu haben! Fortan hatten wir die Wa hl: „Gehe ich heute als blaues oder grünes Zebra zur Arbeit, oder wähle ich gleich den Prinzessin-Lillifee-Look?“
Michael kam als Zebra. Allerdings war er an diesem Tag anders gestreift als wir anderes Zebras. Er hatte eine vierte Variante gefunden: schwarz-weiß-grün.
Mein Azubi trat tatsächlich im von Mutti selbst gestrickten Borussia-Mönchengladbach-Pullover hinter den Schalter! Ich selbst hatte ihn zunächst nur „Morgen!“ sagen hören. Aber dann sah ich die seltsam aufgerissenen Augen der Kundin, der ich gerade die Jahreszinsen in ihrem Sparbuch gut buchte, und drehte mich ruckartig um – und sah das Unglück in seinem ganzen Ausmaß.
„Sofort!“, meine Lippen bebten ein ganz klein wenig, um nicht zu sagen: ich war kurz vor’m Explodieren, „ sofort fährst du nach Hause und ziehst dieses hässliche Teil aus!“
Ich hatte nicht damit rechnen können, dass er den Punkt mit dem „nach Hause“ überspringen würde und musste mit ansehen, wie Michael obenrum strippte. Hinter dem Schalter, vor der Kundin.
Okay, er hatte ein Unterhemd an – aber das machte es ja nicht besser. Oder hätte man es als chic ansehen sollen, wenn da ein – zugegeben junger, schlanker – Kerl im Schießer Feinripp-Achselshirt, Modell Helmut, hinter der Glasscheibe steht?
„Aber heut Abend ist doch Pokalspiel, da will ich doch gleich von hier aus hin…“. Irgendwie tat der Junge mir ja leid, aber dennoch: Hier hatte er die Grenzen des guten Geschmacks überschritten. Die Jugend war damals schon etwas … anders.
Oder soll te man sagen: Einfältig?
Peter , der nächste in der Reihe, war ein ganz besonderes Exemplar mit genau dieser Eigenschaft. Eine Seele von Mensch. Immer ein Lachen im Gesicht, meistens ein fröhliches Liedchen auf den Lippen – man musste ihn gern haben.
Aber er war verpeilt – und das hochgradig. Mal hatte er den Tresorschlüssel vergessen, der Beginn der nachfolgenden Schalterstunden verschob ich dadurch um circa zwei Stunden. Denn bis Peter in sein Dorf im Neusser Hinterland und wieder zurück nach Meerbusch gefahren war – das dauerte. Und ich hatte ihn noch gefragt: „Kannst du den Schlüssel heute auch wirklich mal mitnehmen? Ich möchte ihn nicht mit ins Kino schleppen.“ – „Kein Thema – Boss! Bei mir isser sicher!“ … Ja, das war er. Sehr sicher. Sicher zu Hause.
S o was passierte Peter immer und immer wieder. Und so hatte er schnell seinen Spitznamen „Mr. Schussel“ weg. Und war damit auch leichtes Opfer für diverse Streiche unter Kollegen. Meist wurde ihm dazu nur irgendwas weggenommen, sein Kuli oder eben ein Schlüssel. Das reichte dann, um Peter eine Zeit lang mit Suchen zu beschäftigen. Es war eine Freude zuzugucken, wie er unter Tischen rum kroch und mit Linealen unter Schränken rum porkelte. Er war schließlich immer davon überzeugt, dass wieder einmal er selbst es war, der was verloren beziehungsweise verlegt hatte.
Wenn wir ihn dann aufklärten, dann fluchte er erst mal, aber legte dann ein unwiderstehliches Lachen auf und
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