Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen
sprachlos saßen sämtliche Verteilfrauen auf ihren Hochstühlen. Und dann fiel es auch mir auf – erst dann, denn aufgrund meines Standortes im Moment von Schmittis Erscheinen hatte ich bis jetzt nicht viel mehr als ihre Silhouette wahr genommen, während die meisten Kolleginnen näher an ihr dran waren und sie voll ausgeleuchtet sehen konnten.
Und so hatten sie bereits bemerkt, dass die hochachtungsvolle Frau zum einen nicht nur stank wie Kuhstall, sondern auch mindestens die Hälfte eines selbigen an sich kleben hatte. Von oben bis unten war sie mit Stroh und irgendwas – Herr! Lass kein Bild entstehen! – Braunem besudelt. Wo um alles in der Welt hatte sie sich rum gewälzt??? Und vor allem: Wie sieht es jetzt in ihrer Wohnung aus, denn sie war ja zu Hause, als ich sie anrief?!
Es war fast schon ein bemitleidenswerter Anblick, wie diese traurige Gestalt langsam zu ihrem Arbeitsplatz torkelte. Die Kolleginnen, an denen sie auf dem Weg dorthin vorbei musste, rümpften die Nase, hielten sich selbige schlagartig zu und wechselten im gleichen Augenblick die Gesichtsfarbe. Kein Zweifel: Schmitti hatte Party im Misthaufen gefeiert. Styling und Parfum ließen nur diesen einen Schluss zu.
Ich musste erneut handeln. Eigentlich hätte ich sie nach Hause schicken müssen, aber da sie sich immer noch aufführte wie eine Furie und nicht aufhörte, mich zu beschimpfen, wollte ich sie nun erst recht nicht auch noch für ihr Fehlverhalten belohnen. Aber gleichzeitig musste ich auch noch die anderen Frauen schützen. Neben ihr zu arbeiten, das war unmöglich. Die Damen wären mir eine nach der anderen ohnmächtig geworden von diesem abartigen Gestank.
Also schnappte ich mir einen leeren Briefbehälter und schubste Schmitti damit zum allerhintersten Hochsitz. Der lag weit genug entfernt von der nächsten Kollegin, und wenn man alle Fenster öffnen würde, dann wäre es sicher erträglich, so dachte ich.
Müßig zu erwähnen, dass Griselda Schmitt ewig brauchte, um den Stuhl zu erklimmen. Immerhin: Sie schaffte es ohne Absturz und blieb unverletzt.
„Doll … gansdoll … und was sollsch jetzt hier machen?“
„DAS!“ Ich stellte ihr gleich fünf volle Kisten mit Briefen hin. Normal wären zwei gewesen. Aber sie hatte ja was nachzuholen, und wie lange sie dafür brauchen würde, das war mir so was von Wurscht.
„Respekt sollsu haben habsch gesacht!“ – Ja Respekt! Sie konnte dieses Wort ja doch aussprechen! „Schaffsch nich machsch nich!“
„Du machst das. Und du schaffst das. Du hast schließlich den ganzen Tag Zeit dazu, hier wird erst heut Abend um neun abgeschlossen.“
„Neun? Wie neun? Appeschosn? Wer wird erschosn?“ Ich hörte nicht mehr hin, sich zu Hause mit seiner Mikrowelle zu unterhalten, das war vom intellektuellen Wert her sicherlich weitaus sinnvoller.
Sie hatte immerhin schon eine Handvoll Briefe – es waren allerdings wohlweislich nur Massendrucksachen, die hatten Zeit und auf die wartete nun wirklich niemand; es sollte ja kein Kunde auf einen wichtigen Brief warten müssen, nur weil sich eine Postbedienstete die Kante gegeben hatte – aus der Kiste gefummelt und versuchte jetzt relativ erfolglos, eine Adresse zu entziffern. „Du wills mich erschiesn? Du bissein böser Mensch!“ Und dann liefen sie über die noch übertriebener als üblich geröteten Wangen, die Krokodilstränen. Ich stand über den Dingen, damit kriegte sie mich nicht klein.
„Du bis bös, soo bös … der Fritz nich. Der Fritz isso lieb, so särtlich un überhaup. Wie schön das war in sein Bettcheniese Nacht … so schön warm … undann die braune Bettwäsche … so schön weich …“
Die Frau litt an totalem Realitätsverlust – sie hielt allen Ernstes die Kuhscheiße, in der sie sich mutmaßlich mit ihrem sexy Fritz gewälzt hatte, für Satin-Bettwäsche!
„Zehn Kistn doofe Briefe? Schaffsch nich machsch nicht …“
Es waren derer immer noch nur fünf … aber Griselda Schmitt machte .
Sie schaffte sie zwar wirklich nicht, weil sie am frühen Nachmittag auf dem Stuhl einschlief und man sie aus lauter Fürsorgepflicht der Post gegenüber ihren Angestellten in ein Taxi setzte, dessen Fahrer man schon im Voraus mit einem fürstlichen Trinkgeld ausstattete. Aber inzwischen waren die braunen Brocken an ihr getrocknet und dufteten nicht mehr gar so intensiv – der Mann wird es überlebt haben.
Von jenem Tag an war Schmitti immer pünktlich, und man vernahm auch keine Alkoholfahne mehr bei ihr. Die
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