Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Titel: Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Wissen
Vom Netzwerk:
einen kalten Schauer im Rücken. Denn bei diesem Mann wusste man nie, ob er einem nicht auch mal ein Messer in selbigen rammen würde, wenn man ihn ihm zudreht. Schnellen Schrittes machte ich mich auf den Weg nach hinten zu Ur-Bayer Xaver, der neben Bierflaschen und Pups-Mikro  auch die nicht zugestellten Eilsendungen betreute.
    Viele waren es an dem Tag nicht, so dass ich sehr schnell feststellen musste: Für meine Persona non grata mit de m Namen Gerd Wolf war keine darunter!
    Schock!
    „Xaver, wo ist der Brief???“ Ich konnte nicht mit leeren Händen zurück zum Schalter gehen! Auf gar keinen Fall!
    „Jo mei, dös is alls. I kann dir doch koan zaubern duan. Oder wills dös? Dann moal i dir oan, höhö!“ Was Alkohol aus Menschen macht …
    Ich guckte noch dreimal alle Ecken durch – kein Eilbrief da. Ich verzweifelte, mein Herz drohte jeden Moment auszusetzen, so viele Extrasystolen setzte es frei.
    Das war mein Ende. Ich ging langsam zurück zum Paketschalter, öffnete die Schiebetür zu selbigem und sah schon das hämische Grinsen, als Wolf sah, dass ich nichts in der Hand hielt.
    „Äh, Herr Wolf …“, stammelte ich los, „da ist …“
    Er ließ mich gar nicht ausreden, sondern führte in unangenehm ruhigem Tonfall meinen Satz zu Ende: „… kein Brief.“
    Um gleich anschließend die Worte auszusprechen, die ich wohl mein Leben lang nicht vergessen werde und wegen der mir der schaurige Anblick dieses eigentlich armseligen Menschleins auf ewig ins Gehirn gemeißelt bleiben wird.
    Er sagte:
    „Ich sag ihnen jetzt mal was: Jeder Tag, an dem bei der Post nicht mindestens einer verbrannt wird, ist ein verlorener Tag.“
    Ich wusste gar nicht, was ich zuerst tun sollte: Schnappatmung bekommen, los heulen oder ihm gleich eins in seine Hackfresse geben. Es  wäre ein leichtes gewesen, der Paketschalter hatte keine Scheiben. Aber die Tatsache, dass ich mich zeitlebens nie geprügelt hatte, hinderte mich daran, es in diesem Moment zu tun.
    Dieser Dreckskerl! In diesem Land überhaupt noch von „Menschenverbrennung“ zu sprechen und dann auch noch mir persönlich einen solchen Spruch zu geben – das war die Härte!
    Ich griff zum T elefonhörer und rief den diensthabenden Aufsichtsbeamten, Herbert Westermann, aus seinem Büro in der ersten Etage herunter an den Schalter. Der kam auch wenige Augenblick später, er hatte wohl an meiner Stimme gemerkt, dass „es brannte“.
    „Was gibt’s?“, fragte er ruhig.
    „Du kennst Herrn Wolf?“, erwiderte ich.
    „Wer nicht …“. Westermann hatte auch schon einige Erlebnisse mit Gerd Wolf gehabt, wie nahezu jeder Meerbuscher Postler. Niemand konnte es diesem Individuum recht machen – und wenn dann auch noch eine echte Panne wie diese passierte, dann hatte man Pech und Cholera gleichzeitig am Hals.
    „Die Eilsendung ist nicht da. Kann ich nix dafür. Aber dann muss der nicht so was sagen!“
    „Was hat Herr Wolf denn gesagt?“
    Die Person zögerte nicht seinen infamen Satz zu wiederholen. Also jetzt reichte es mir – Tötet ihn!
    Es ist nur dem beherzten Eingreifen Herbert Westermanns zu verdanken, dass der Leichenwagen an diesem Tag nicht auf dem Amts-Parkplatz vorfahren musste . Ich saß schon auf der Theke, bereit zum Sprung, um Wolf an die Gurgel zu gehen. Und das ich, der Gewalt verabscheute! Soweit hatte dieses Monster mich schon gebracht. Aber mein Kollege hielt mich am Arm fest und sagte in weiterhin ruhigem Ton (Man konnte nur bewundern, wie stoisch er blieb):
    „Ich glaube, Herr Wolf sollte aus zwei Gründen das Postamt jetzt ganz schnell verlassen … Zum einen dulde ich solche Aussagen nicht – und zum zweiten : Ihr Brief kann gar nicht gefunden werden, es ist nämlich kein Eilbrief, er liegt in Osterath für sie bereit! Hat der gnädige Herr sonst noch ein Anliegen? Nein? Dann noch einen schönen Tag – Da ist die Tür!“
    Das nannte ich mal routiniert! Ich hatte noch einiges zu lernen, dachte ich in diesem Augenblick. Erstens: Benachrichtigungsscheine richtig zu lesen, denn dann wäre mir auch selbst schon in der ersten Sekunde aufgefallen, dass dieser Spacken gar nicht hätte hier auftauchen brauchen. Und zweitens musste ich noch ein gut Stück souveräner werden. Aber Herbert Westermann war auch rund dreimal so alt wie ich, der wäre diesem Idioten ein paar Jahrzehnte früher sicher auch an die Gurgel gegangen.
    Gerd Wolf verließ schweigend, aber dennoch hämisch grinsend, die Schalterhalle. Herbert Westermann klopfte mir auf die

Weitere Kostenlose Bücher