Gelegenheit macht Diebe - Nicht alles, was schwul ist, glänzt (German Edition)
Er musste wohl durch etliche Büsche gerannt sein.
„Jan!“, kam es unerwartet von ihm zurück.
Es klang fast, als wär er freudig überrascht ... nicht auffallend begeistert oder fröhlich, aber auf jeden Fall nicht wütend. Aber das Wichtigste war: ER KANNTE MEINEN NAMEN NOCH!!! Am liebsten hätte ich laut geschrien vor Freude. Allerdings hätte das sicherlich für Verwirrung bei dem Polizisten gesorgt, der sich ein bisschen zurückgezogen hatte, aber immer noch präsent war und uns beide im Auge behielt. Wie sollte ich dem auch erklären, warum ich mich darüber freute, dass mein Stiefbruder meinen Namen weiß?
Ich war so glücklich, er war nicht sauer auf mich! Trotzdem konnte ich seinen G esichtsausdruck nicht richtig deuten. Hieß das jetzt, dass er sich ebenfalls freute mich zu sehen, oder dass es ihm egal war? Offensichtlich war die Situation für ihn genauso eigenartig wie für mich. Und dass sein Gesichtsausdruck offensichtlich doch nichts Gutes bedeutete, erkannte ich, als ich es mir nicht nehmen lassen wollte, ihn zu berühren. Ich ging auf ihn zu und wollte meine Hand durch die Gitter stecken, doch gleich ging Marco einen Schritt zurück und der Wachmann auf mich zu. Ich hielt inne und ließ meinen Arm seitlich angespannt runter hängen. Herr Schubert sah mich scharf an, das war wohl zu nah.
Erst dachte ich, Marco wär zurückgew ichen, weil er Angst hatte, Ärger zu kriegen, aber dann fragte er mich total böse: „Was machst du hier?!“ Ganz offensichtlich freute er sich also nicht, mich zu sehen.
Dem Tonfall in seiner Stimme konnte ich entnehmen, wie überl egen er sich jedem fühlte ... besonders mir, obwohl er eingeschlossen war und ich nicht. Außerdem hatte ich das Gesetz auf meiner Seite und er nicht, was ihn keineswegs zu stören schien. Entweder war er einfach nur eingebildet, oder er hatte einen unglaublich starken Charakter. Ich entschloss mich für das Letztere.
Ich wollte ihm aber trotz meiner neu entdeckten Schwäche für ihn nicht zeigen, mit welcher Hingabe ich mich ihm unterlegen fühlte, und fragte: „Müsste ich das nicht eigentlich dich fragen, was du hier machst?“ Einen Moment lang schaute er weg. Er steckte eine Hand in die Hosent asche und biss sich auf die Unterlippe. „Stimmt das, was man so liest? ... Wurdest du echt schon wegen über 50 Fällen gesucht?“, bohrte ich weiter ... ganz egal, wie bescheuert sich meine Grammatik anhörte, wenn ich versuchte, schlau daherzureden.
Marco zog eine Zigarette aus seiner Hose ntasche. Mit der konnte man fast Mitleid kriegen, so verknittert war die. Er hatte sie bestimmt mit reingeschmuggelt, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass er hier rauchen durfte. Um genau zu sein konnte ich mir nicht mal vorstellen, dass er überhaupt raucht ... auch wenn es bei näherer Betrachtung irgendwie zu ihm passte.
Noch immer bekam ich keine Antwort. Marco ve rsuchte einen auf cool zu machen, wobei er jedoch kläglich versagte, als er mit zitternden Händen versuchte, die Kippe anzuzünden, die ihm dabei immer wieder aus dem Mund fiel.
„HOH FUCK!“, rief er, schmiss wütend die Zig arette in die Ecke und drehte sich von mir weg.
Es tat mir weh, ihn in diesem Zustand zu sehen. Nor malerweise finde ich es ja süß, wenn Männer mal Schwäche zeigen, aber doch nicht, wenn es dabei um Marco geht, der mit Gewalt in diese Hilflosigkeit gezwängt worden war. Ich wollte lieber seine „natürlichen“ Schwächen kennenlernen ... Schwächen, die er überspielte, damit niemand auf die Idee kam, er könnte doch ein menschliches Wesen sein, mit Gefühlen und Ängsten. Schwächen, bei denen man in dieses Hach-Gefühl kommt. Die Schwäche, die ich jetzt an ihm sah, war grauenvoll! Wie konnte man ihm das nur antun?!
Plötzlich, ohne irgendeine Vorwarnung, explodierte Marco. Aus ihm sprudelten tausende von Schimp fwörtern. Total perplex starrte ich ihn an, den Mund sperrangelweit offen. Dabei bemerkte ich nicht, dass ich den erlaubten Mindestabstand bereits wieder überschritten hatte und so in seiner Reichweite war.
Mit einem kräftigen Ruck packte er meinen Pullover und zog mich zu sich ran. „Für was hältst du dich eigentlich, dass du mir die ganze Zeit nachsteigst, häh?!“, brüllte er und hielt mit beiden Händen meinen Kragen fest.
Es tat so weh ... wenn er noch fester gezogen hätte, hätte er mich wahrscheinlich erwürgt.
Er ließ nicht locker, auch nicht, als der Polizist auf ihn einschrie und versuchte, seine Hände von
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