Geliebt, begehrt, verwoehnt
Frauenzeitschrift hatte sie einmal gelesen, dass Freunde in der heutigen Zeit oftmals die Familie ersetzten. Aber seit einiger Zeit hatte sich die Stimmung unter den acht Frauen ein zweites Mal verändert. Diesmal war es allerdings eine Veränderung, die Melly nicht gefiel.
Caitlin hatte damit angefangen. Sie war aus dem Urlaub in Irland zurückgekommen und hatte angekündigt, dass sie mit ihrem Freund zusammenziehen würde.
"Meine Schwester hat schon ein süßes Baby, und sie ist fünf Jahre jünger als ich", hatte sie zur Begründung hinzugefügt. „Wenn ich nicht aufpasse, ist es bald zu spät."
"Deine biologische Uhr tickt", hatte Lisa wissend kommentiert. So hatte es begonnen. Inzwischen hatten sie alle feste Partner. Alle außer mir, überlegte Melly, während die anderen Lisa lachend wegen ihrer Verlobung neckten. Melly betrachtete ihre Freundinnen. Sie alle hatten sich verändert und hatten neue Lebensziele, auch wenn es ihnen manchmal ein bisschen unangenehm war, offen dazu zu stehen. Auf einmal wollten alle aufs Land ziehen, bescheidener leben, eine Familie gründen. Während sie ihre Freundinnen reden hörte, kam Melly der Gedanke, dass Finn ihnen mit seinem Lebensstil näher war als sie. Er führte das Leben, das sie sich alle plötzlich zu wünschen schienen. Sie fühlte sich auf einmal wie eine Außenseiterin in der bisher vertrauten Runde. Am liebsten hätte sie Finn die Schuld daran gegeben, auch wenn es nicht ganz logisch war. Auf jeden Fall war er dafür verantwortlich, dass sie hier saß und ihn vermisste.
"Meine Mutter ist natürlich total begeistert", schilderte Lisa die Reaktion ihrer Familie auf die Verlobung. "Ich werde sie mit Gewalt davon abhalten müssen, eine Hochzeit im großen Stil zu organisieren. Bas ist mir da keine große Hilfe, er ermutigt sie sogar noch. Wenn es nach ihm ginge, wäre ich auch noch schwanger, wenn er mich zum Altar führt. Ich sehe mich schon mit einem dicken Bauch durch die Kirche watscheln. Ich habe noch nie einen Mann getroffen, der so darauf gebrannt hätte, Vater zu werden."
"Das ist der neueste Trend", warf Charlotte ein. "Männer sind plötzlich verrückt nach Babys. Wo du auch hinschaust, überall wollen Männer weniger arbeiten, um mehr Zeit fürs Privatleben und ihre Familie zu haben. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie viele Paare, die ich kenne, im letzten Jahr aufs Land gezogen sind. Manche haben schon Kinder, die übrigen wünschen sich welche."
Sie sah sich in der Runde um. "Mal ehrlich, könnt ihr euch etwas Schöneres vorstellen, als mit Mann und Kindern in einem riesigen alten Landhaus zu wohnen? Von zu Hause aus zu arbeiten, weil es dort genug Platz für euer Büro gibt? Manche Leute überreden sogar ihre Eltern, bei ihnen einzuziehen. Bessere Babysitter als die Großeltern gibt es doch nicht, oder?"
Melly hörte der heißen Diskussion zu, die Charlottes Ausführungen folgte.
Aber sie nahm nicht daran teil, sondern fühlte sich wie eine Außenseiterin unter den Frauen, mit denen sie seit Jahren ihre Hoffnungen und Träume geteilt hatte.
Seit fünf Jahren waren die Freundinnen ihre engsten Vertrauten, abgesehen von ihrer Großmutter.
"Stimmt, aufs Land zu ziehen ist in", bestätigte Tanya. "Zum Beispiel Greta und Nigel. Natürlich haben die Reichen immer ein Haus auf dem Land und eine Wohnung in der Stadt gehabt, aber zurzeit scheint jeder auf der Suche nach einem Haus im Grünen zu sein."
Während die anderen Frauen aufgeregt durcheinander sprachen, zog Melly sich in sich selbst zurück, um ihren Gedanken nachzuhängen.
"Du bist heute so schweigsam, Melly", bemerkte Charlotte und wandte sich ihr zu. Bevor Melly etwas erwidern konnte, fing Lisa an zu lachen.
"Melly findet alles, was wir sagen, schrecklich. Sie hält uns für Verräterinnen an der gemeinsamen Sache, stimmt's?"
"Unsinn", bestritt Melly. Doch es war offensichtlich, dass die anderen ihr nicht glaubten. Auf einmal gehörte sie nicht mehr dazu. Ihre Freundinnen hatten plötzlich Gemeinsamkeiten, an denen sie keinen Anteil hatte.
"Dem Privatleben Vorrang zu geben ist der aktuelle Trend, Melly", erklärte Tanya sanft. Tanya war PR-Beraterin und kannte sich mit Trends bestens aus.
Vor einem halben Jahr hatte sie ihren Urlaub auf einer kleinen Privatinsel verbracht, die man nur mit Erlaubnis betreten durfte. Dort hatte sie sich in einen anderen Gast verliebt. Jetzt hatte sie vor, ihren Job aufzugeben und mit ihrem Freund eine Trekkingtour durch die Anden zu
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