Geliebt
zu erinnern«, murmelte sie.
»Ja, manchmal schon«, erwiderte er. »Aber meistens ist es eher eine Last.«
»Warum?«
»Irgendwann fangen die Erinnerungen an, dich herunterzuziehen. Man verliert sich so sehr in der Vergangenheit, dass es einem schwerfällt, in der Gegenwart zu leben. Man kann es mit einem Haus vergleichen, das mit alten Dingen angefüllt ist. Ab einem gewissen Punkt bleibt kein Platz mehr für etwas Neues.«
Schweigend gingen sie einige Minuten nebeneinander her. Die Sonne schickte sich an unterzugehen und tauchte alles in ein sanftes Licht. Die Wellen brachen sich krachend, Rose lief kläffend vor ihnen her, und über ihren Köpfen kreischten Seemöwen.
Erneut sah Caitlin sich um und suchte nach einem Hinweis auf ihren Vater, nach etwas, woran sie sich erinnerte. Doch sie fand nichts.
Plötzlich hörte sie ein lautes Geräusch und spürte einen Luftzug, dann rasten zwei weiße Pferde an ihnen vorüber. Automatisch drehte sie sich um, um zu sehen, woher sie kamen, konnte aber nichts entdecken. Es mussten wilde Pferde sein. Jetzt galoppierten sie den Strand hinunter ins flache Wasser hinein.
Caleb und Caitlin drehten gleichzeitig den Kopf und sahen sich an. So etwas hatte Caitlin noch nie gesehen.
»Wildpferde«, erklärte Caleb. »Auch noch weiße Wildpferde. Das ist ein sehr gutes Zeichen. Komm, fangen wir sie!«, rief er und sprintete los.
Zuerst dachte Caitlin, er wäre verrückt geworden: Wie sollten sie bloß ein Pferd einholen? Doch dann fiel ihr ihre neu entdeckte Schnelligkeit wieder ein, und sie rannte los.
Es fühlte sich an, als würden ihre Beine von ganz allein laufen. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, lief sie schneller als jemals zuvor. Bald hatte sie Caleb eingeholt, und innerhalb weniger Sekunden liefen sie neben den Pferden her. Rose folgte ihnen auf dem Fuße.
Ein breites Grinsen erhellte Calebs Gesicht. »Lass uns reiten!«, rief er.
Dann schwang er sich auf den Rücken des einen Pferdes, und Caitlin sprang so schnell, wie sie konnte, auf das andere Pferd. Sie konnte es kaum fassen, dass sie jetzt auf dem Rücken eines Pferdes saß und neben Caleb hergaloppierte. Sein Haar wehte wild im Wind, und er lachte übermütig. Seite an Seite rasten sie den Strand entlang, immer weiter dem Sonnenuntergang entgegen. Es fühlte sich absolut unwirklich an.
Der Ritt führte meilenweit den Strand entlang. Die Klippen, die Felsen und der Sand flogen an ihnen vorüber. Überrascht stellte Caitlin fest, wie lang dieser Strand doch war. Endlos dehnte er sich vor ihnen aus.
Und dann blieben die Pferde ganz plötzlich ohne Vorwarnung stehen.
Caleb und Caitlin gelang es nicht, sie zum Weiterlaufen zu bewegen – sie weigerten sich einfach.
Verwirrt wechselten sie einen Blick.
»Ich glaube, sie wollen, dass wir hier absteigen!«, rief Caleb schließlich lachend.
Caitlin sah nach unten und stellte fest, dass sie im knietiefen Wasser standen.
Calebs Grinsen wurde noch breiter. »Da werden wir wohl nasse Füße bekommen!«
Und schon sprang er vom Pferderücken und landete im Wasser.
Schnell zog Caitlin die Schuhe aus, nahm sie in eine Hand und folgte Calebs Beispiel.
Das Wasser an ihren nackten Füßen war eiskalt, doch es reichte ihr nur bis zu den Schienbeinen, als die Welle sich zurückzog. Eigentlich war es sogar regelrecht erfrischend. Und der weiche Sand fühlte sich wunderbar an.
Als sie aufsah, galoppierten die Pferde davon, den leeren Strand entlang der Sonne entgegen.
Rose rannte ins Wasser, spielte mit den Wellen und jaulte übermütig.
Caleb kam näher und hob Caitlin spielerisch hoch, damit sie nicht nass wurde, als die nächste Welle heranrollte. Er schwankte nicht einmal, er war so stark wie ein Fels in der Brandung. Lachend wirbelte er sie im Kreis und hielt sie fest an sich gedrückt.
Das Herz wurde ihr weit.
Langsam setzte er sie ab, hielt sie aber immer noch im Arm. Ihre Blicke begegneten sich. Allmählich verblasste sein Lächeln, und sein Gesicht wurde ernst.
Seine Augen wechselten die Farbe, von Braun zu Meeresgrün. Wie gebannt starrte er auf sie hinunter.
Ihr Herz klopfte heftig, als er sich schließlich vorbeugte und sie küsste.
***
Der Kuss war wie ein Feuerwerk. Eine grenzenlose Wärme und ein unglaubliches Prickeln breiteten sich in ihrem ganzen Körper aus – anders als alles, was sie bisher erlebt hatte. Sie erwiderte seinen Kuss, erst vorsichtig, dann mutiger, bis er sie schließlich aus dem Wasser hob und Richtung Strand trug.
Dort legte
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