Geliebte Betrügerin
mönchisches Gehabe mir in die Schuhe zu schieben, Junge.« Lord Reynard rekelte sich in seinem Stuhl. »Ich war im Club.
Und
im Theater.«
»Sie wurden in Gesellschaft der gräflichen Witwe Anson gesehen, Sie Nesträuber Sie.« Tomlin zog die Hosen hoch und hockte sich neben den alten Mann. »Sie sollten sich an Frauen in Ihrem Alter halten.«
»In meinem Alter gibt es aber keine«, versetzte Lord Reynard bissig.
Tomlin gackerte wie eine Bruthenne, und die jungen Diener, die hinter der kleinen Gesellschaft standen, verkniffen sich mit Mühe das Lachen.
Tomlin stand auf und rief: »Swearn! Sie haben Ihren Ältesten dabei! Brauchen jetzt wohl einen Anstandswauwau, was?« Und schon schloss er sich dem peinlich berührten Swearn und seinem ewig krittelnden Sohn an.
Er hinterließ betretenes Schweigen. Es half nichts, dass Zuschauer vorbeiliefen, ihre Wetten platzierten und auf den Start des nächsten Rennens warteten. Seit die Fälschungsaffäre beigelegt war, hatte Lord Reynard ein Auge auf Kerrich behalten und wartete auf … etwas. Kerrich wusste nicht genau, worauf, aber er hatte Großvaters Erwartungen nicht erfüllt, und Lord Reynard zeigte ihm deutlich sein Missfallen.
Kerrich lehnte sich ans Geländer, faltete die Hände und murmelte: »Ich weiß nicht, was ich je an einem taktlosen, neugierigen Flegel wie Tomlin finden konnte.«
»Er sagt dir die Wahrheit.«
Kerrich schaute finster drein.
Lord Reynard war aufgestanden und hatte sich neben ihn gestellt, gebrechlich und beherzt, alt und zeitlos jung, den Spazierstock in der einen Hand, den Hut keck ins Gesicht gesetzt.
»Weißt du, junge, in deiner Jugend hab ich verdammt alles getan, um dir deine Eltern zu ersetzen. Ich denke, das hab ich gut gemacht.«
»Ja, Sir, und ich -«
»Still«, Lord Reynard schüttelte den Finger unter Kerrichs Nase. »Halt den Mund und steck dieses blöde Monokel weg. Es sieht albern aus.«
Kerrich schob das Monokel in die Tasche und wünschte, sein Großvater wäre nicht immer so schonungslos.
Lord Reynard schloss die Augen. »Wo war ich? Ach ja. Ich habe mir deine jugendlichen Ausreden angehört. Ich habe mich zurückgehalten, wenn du dich närrisch aufgeführt hast. Ich habe dich deine Fehler machen lassen und den Mund gehalten. Alles anstrengende Aufgaben, wie du feststellen wirst, wenn du selbst Kinder hast – falls du schlau genug bist, dich zu verheiraten.« Er machte eine Pause.
Kerrich wusste nicht, ob er jetzt an der Reihe war, also sagte er nur: »Ja, Sir.«
»Bis Jetzt bist du davongekommen. Ich habe dir Unüberlegtheiten, Halbgares und Unvernünftiges durchgehen lassen, aber diese platte Dummheit nicht. Warum zum Teufel hast du dir Pamela Lockhart durch die Lappen gehen lassen?«
Ein Rennen startete. Die Zuschauer reckten die Hälse und gafften nach den Pferden. Kerrich sah verdrossen zu. Als sich nach dem Zieleinlauf Freude und Enttäuschung Bahn brachen, wandte er sich seinem Großvater zu.
»Ich habe sie mir nicht durch die Lappen gehen lassen. Sie will mich nicht.«
»Ich habe gesehen, wie sie dich anschaut. Natürlich will sie dich. Du hast einen Fehler gemacht.« Lord Reynard deutete auf den Gipfel des Hügels. »Geh zu ihr und mach die Sache klar.«
»Ich hab versucht … es klar zu machen. Als sie im Buckingham-Palast war, bin ich zu ihr geschlichen. Ich hatte gehofft, sie würde mich heiraten.«
»Also hast du ihr einen Antrag gemacht?«
»Nicht direkt.«
Den Ellbogen auf das Geländer gestützt, musterte Lord Reynard seinen Enkel von der Hutkrempe bis zu den Stiefeln. »Wolltest du, dass sie
dir
einen Antrag macht?«
»Nein! Das wäre wohl zu viel verlangt gewesen.«
»Du wolltest, dass sie dir ihre Liebe gesteht?«
»Ja.« Kerrich klang trotzig, sogar in seinen eigenen Ohren.
»Warum hast du ihr nicht gesagt, dass du sie liebst?«
Sein Großvater wusste, dass Kerrich sie liebte, aber er machte sich nicht über Kerrichs Gelübde lustig, niemals zu lieben. Er triumphierte nicht. Lord Reynard war in dieser Hinsicht sehr gewieft. Also antwortete Kerrich: »Wenn ich ihr gesagt hätte, dass ich sie liebe, hätte sie gewonnen.«
Lord Reynards Verblüffung war nicht gespielt. »Gewonnen … was?«
»Sie wäre in der Ehe die Mächtigere gewesen und ich ein Bettler im eigenen Hause – wie Vater.«
»Wovon zum Teufel redest du?« Lord Reynard schlug mit dem Spazierstock gegen Kerrichs Brust. »Dein Vater war kein Bettler im eigenen Hause! Erinnerst du dich überhaupt noch an deine
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