Geliebte Betrügerin
Hoffnung verheiratet, dass ihre Verbindung die Geschäftsbeziehungen festigen würde und dass sie schließlich die Liebe finden würden.«
»Und haben sie das?«
»Ja. Mein Vater hat meine Mutter geliebt und meine Mutter sich selbst.«
»Oh.« Miss Lockhart strich ihren Rock glatt. »Wie unangenehm für Sie.«
»Unsinn. Bis zu seinem Tod, damals war ich zehn Jahre alt, schienen wir eine glückliche Familie zu sein.« Er konnte nicht fassen, wie redselig er war und wie vieles er eingestand. »Doch nach seinem Tod konnte sie es gar nicht erwarten, die Trauerkleider fortzuwerfen.«
»Das tut mir Leid.« Sie schien es ernst zu meinen. Ihr Blick war traurig, der Kopf gesenkt.
Er beeilte sich, sie zu beruhigen. »Das braucht es nicht. Ich bin froh, dass es passiert ist. Es hat mir die Augen geöffnet, hat mich auf ein Leben ohne falsche Illusionen vorbereitet. Mich nutzt keiner mehr aus.«
Sie nickte. »Ja. Ich weiß, es kann von Vorteil sein, schmerzliche Erfahrungen zu machen, aber weh tut es doch, und was immer Sie auch sagen, für den jungen, der Sie damals waren, tut es mir Leid.« Sie wirkte aufgewühlt und wund, als sie weiter sprach. »Ihre Mutter. Ist sie -«
»In Italien, mit ihrem derzeitigen Geliebten.« Es schien ihm wichtig, Miss Lockhart von seiner Abgebrühtheit zu überzeugen. »Und das, meine liebe Miss Lockhart, ist genau der Ort, wo ich meine Mutter haben will.«
»Sie hassen sie.«
»Aber nein!« Er fuhr mit dem Finger den Rand des Bechers entlang. »Sie ist es gar nicht wert, gehasst zu werden.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob Sie das zu einem besseren Menschen macht, als ich es bin.«
Sie sprach so leise, dass er sie kaum verstand. Die Geschichte, die sein Großvater ihm erzählt hatte, fiel ihm plötzlich wieder ein. »Ihr Vater hat Sie verlassen.«
»Sie haben … Sie haben die Klatschgeschichten gehört?« Ihre Stimme überschlug sich. »Die
ganze
Geschichte?«
Er hatte geglaubt, die Zeit hätte ihren Schmerz geheilt obwohl sie auch seinen eigenen Kummer nicht geheilt hatte. Doch offensichtlich machte schon die bloße Erwähnung der ganzen Angelegenheit Miss Lockhart nervös. Er verstand sie besser, als ihm lieb war.
Er bemühte sich, interessiert, aber dennoch distanziert zu wirken und sagte: »Mein Großvater hat mir die Geschichte erzählt. Welch schwierige, unglückselige Lage für Sie, zumal in so jungen Jahren.«
»Für mich?« Sie schaute ihn an, schaute noch mal und entspannte die im Schoß geballten Fäuste. »Ja, aber -« Sie schaute ihn wieder an, um sicherzugehen. »Wer wirklich gelitten hat, war meine Mutter.« Sie holte die silberne Uhr, die ihm früher schon aufgefallen war, aus der Tasche ihres Rocks. »Sie gehörte meinem Vater. Das Einzige, was mir von ihm geblieben ist.«
»Sie haben sie als Erinnerung an ihn behalten?«, mutmaßte er.
Sie klappte den verzierten Deckel auf und betrachtete das Zifferblatt, als sehe sie ihren Vater darin. »Nein. Ich habe sie behalten, damit ich nicht vergesse, welchen Kummer ein oberflächlicher, untreuer Mann einer Frau bereiten kann. Meine Mutter hat meinen Vater sehr geliebt. Sie ist an ihrer Liebe zu ihm gestorben – weil sie ihn so vermisste.« Sie lächelte bitter. »Ich nehme an, Sie heißen solche Hingabe gut. Wie die meisten Männer.«
Ach sehe sie nur als weiteren Beweis dafür, dass Liebe eine Falle ist. Sie lockt einen mit hübschem Köder und fängt einen wie das Fangelsen den Wilderer. Und man steckt fest, bis man sich zu Tode geblutet hat.« Er musterte das Gebräu in seinem Becher und staunte, wie sehr das bisschen Ale ihm die Zunge gelockert hatte.
Miss Lockhart blinzelte, und Kerrich begriff, warum sie heute Abend so anders aussah. Es war das erste Mal, dass er sie ohne ihre dunklen Augengläser sah. Ohne den Käfig aus Glas und Metall, der sonst ihre Augen schützte, war ihr Gesicht weicher. Die Augen waren groß und blau. Bei diesem Licht erschien ihre Augenpartie überraschend faltenfrei. In jungen Jahren musste sie ein hübsches Mädchen gewesen sein, und ihre Jugendzeit war entschieden nicht so lange her, wie er angenommen hatte. Genau genommen hätte sie in seinem Alter sein können. Er war kurz davor, sie zu fragen, was nur bewies, wie viel er schon getrunken hatte. Als ob irgendeine Frau diese Frage wahrheitsgemäß beantwortet hätte!
Doch sie ersparte ihm Frage und Schwindelei, indem sie sagte- »Sie haben also ein Findelkind aufgenommen, um sich eine Heirat zu ersparen. Aber die Frage bleibt,
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