Geliebte Betrügerin
Erkenntnisse vergleichen.« Er legte ihr die Hand auf die Schulter und drehte Pamela zur Tür herum. »Wir müssen unsere weitere Vorgehensweise besprechen.«
Pamela war müde und wollte nur noch Lady Temperlys zweitbestes, seidenes Sonntagskleid loswerden, doch sie ging mit ihm den wenig beleuchteten Gang entlang und in seine Bibliothek hinunter. Er hatte Recht, sie mussten miteinander reden.
Erstaunlicherweise freute sie sich darauf. Sie wusste nicht, warum, nur dass sie bei ihm alles sagen konnte, was sie wollte. Bei ihm war sie eine reizlose Frau mittleren Alters, die lediglich als schrullig und launenhaft galt, wenn sie ihre Meinung sagte. Sie fühlte sich auf wundersame Art frei, wenn sie mit Kerrich sprach, etwas, das sie vermissen würde, wenn diese Anstellung beendet war.
Sie stand mitten in der Bibliothek und schaute sich um. »Das ist Ihr liebster Ort, nicht wahr?«
Er sah sich verwirrt um. »Vermutlich ja. Er ist angenehm.«
Die Bibliothek war mehr als angenehm. Sie hatte die heimelige, lebendige Atmosphäre, die ein Raum erst nach Jahren liebevoller Hege und Pflege bekam. Wenn man den Raum hinunterrief, bekam man vielleicht ein Echo zurück, doch Nischen und Fensterbänke brachen die Spanne. Die Bücherregale trugen feine Keramiken, ausgefallene Glasbläsereien und altmodische Marmorbüsten, vor allem aber Reihe um Reihe ledergebundener Bücher, die den Leser einluden, sich in ihre Tiefen zu versenken. Zwei Kamine spendeten Wärme und Licht. Die Möbel waren robust, aus Kirschholz und dunklem Mahagoni, mit behaglichen, dicken Polstern in Tannengrün und Rostrot. Mit seiner enormen Breite und den wuchtigen Konturen beherrschte Kerrichs Schreibtisch den Raum. Kerrich arbeitete hier nicht nur, sondern verbrachte auch seine Freizeit in der Bibliothek, und Pamela fühlte sich seltsam geehrt, in die Höhle des Löwen gebeten zu werden.
»Nehmen Sie Platz«, sagte er. »Darf ich Ihnen einen Sherry einschenken?«
Sie hasste Sherry. Sie hatte ihn immer gehasst, aber Damen tranken nun einmal Sherry, und Pamela war eine Frau, die es vermied, aus dem Rahmen zu fallen.
Aber nicht jetzt. Ihre Verkleidung und Kerrichs Nachsichtigkeit befreiten sie von künstlicher Selbstbeschränkung. Sie sank in den gut gepolsterten, brokatbezogenen Sessel am offenen Fenster und sagte: »Was haben Sie sonst noch anzubieten, Mylord?«
»Ein Ale wäre gut.«
»Dann ein Ale.«
Er sah sie verblüfft an. Dass er zur Tür ging, um nach einem Krug Ale und zwei Bechern zu rufen, zeigte nur, wie überzeugend sie die Rolle der Exzentrikerin spielte. Er kam ans Fenster und setzte sich in den Sessel gegenüber. »Sie trinken also gerne Ale?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe noch nie eines getrunken.«
Er lächelte ein amüsiertes Lächeln, das seine Gesichtszüge öffnete. Pamela hätte geschworen, dass dies nicht sein übliches, kalkuliertes Lächeln war, sondern aufrichtig und freundlich. Auch wenn sie es verabscheute, im Zusammenhang mit Kerrich an aufrichtige Freundlichkeit zu denken.
»Mein Großvater sagt, man solle immer mal wieder etwas Neues probieren«, sagte er. »Es hält den Verstand scharf. Auch wenn Ihr Verstand scharf genug ist, wie ich meine.«
Wie dumm von ihr, sich geschmeichelt zu fühlen. Der Mann warf mit Charme um sich wie der Bauer mit Saatgut großzügig und immer in der Hoffnung, dass es zu einer ordentlichen Ernte heranwuchs. Aber sein Lächeln überzeugte sie irgendwie davon, dass er sie für etwas Besonderes hielt. Schrecklich, dass sie für Schmeicheleien so empfänglich war wie jede andere Frau.
Timothy brachte ein silbernes Tablett herein, stellte es zwischen ihnen beiden auf dem Tisch ab und fragte: »Soll ich einschenken, Mylord?«
Kerrich ließ Pamela nicht aus den Augen und wedelte mit der Hand. Der junge Lakal schenkte ein, verbeugte sich, reichte ihnen die Becher und verbeugte sich erneut.
Pamela wog den ihren in der Hand, eine porzellanene Monstrosität zweifelhaften chinesischen Ursprungs. »Danke, Timothy.«
»Wie?« Kerrich reckte den Hals, während der Lakai den Raum verließ. »Timothy, richtig? ja, danke schön, Timothy.«
Als er fort war, fragte Pamela: »Wie lange arbeitet er schon für Sie?«
»Sein ganzes Leben lang, würde ich meinen.« Kerrich seufzte trübsinnig, er wusste, was ihr Tonfall zu bedeuten hatte. »Was ist schlimmer? Dass ich seinen Namen nicht kannte oder dass ich mich nicht bedankt habe?«
»Ich bringe Beth bei, dass Höflichkeit eine Selbstverständlichkeit
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