Geliebte der Ewigkeit (German Edition)
haben? Er rannte zurück ins Schlafzimmer, dann ins Badezimmer, schließlich wieder in den Salon. Zog jede Schublade, riss jede Tür auf. Er hatte sich nicht geirrt. Ausgerechnet diese bescheuerte Verbandstasche, in der sie allen möglichen medizinischen Firlefanz mit sich herumschleppte, in der sich mehr Zeug fand als in jeder normalen Verbandstasche, war zusammen mit Morrighan verschwunden.
Morrighan war verschwunden, nicht Mhór Rioghain. Sie hatte ihn nicht wieder hereingelegt. Sie war wahrscheinlich wieder mit ihrer verdammten Verbandstasche unterwegs. Aber wozu? Bisher hatte sie nicht den Eindruck gemacht, dass sie gern die Ärztin spielte, solange es sich nicht um tote Patienten handelte.
Er ging zum Telefon, hob den Hörer ab, drückte eine Taste und wartete ungeduldig, bis sich die Rezeption meldete.
Morrighan zupfte an ihrem Kragen, während sie an der Rezeption wartete, dass Mr. Edwards Zeit für sie hatte. Ihr war kalt, obwohl das bei der Menge an Stoff, die sie trug, eigentlich unmöglich sein sollte. Mit ihrem Tweedanzug und dem Rollkragenpullover war sie angezogen, als wäre sie offiziell hier und nicht nur auf Bitte des Empfangschefs. Aber das war nur in zweiter Linie der Grund für ihren Aufzug. Der eigentliche Grund waren die Verletzungen, die ihren Körper verunstalteten und von denen sie nicht wusste, wie sie sich diese zugezogen oder besser, wer sie ihr zugefügt hatte.
Kratzspuren auf dem Rücken waren keine stumpfen Traumata, also nicht Folge eines durch Bewusstlosigkeit verursachten Sturzes. Würgemale zog man sich nicht auf diese Weise zu, geplatzte Petechien, senkrechte Schürfspuren und samtartige Rötungen am Hals und Abwehrverletzungen an Händen und Armen. Nichts davon konnte durch eine unsanfte Landung auf dem Boden verursacht werden, selbst wenn ein Möbelstück im Weg stand. Nicht einmal, wenn sie einen Kampf mit dem Möbelstück bestritten hätte.
Sie musste ein Kichern hinunterschlucken. Nicht, weil etwas fürchterlich komisch war, sondern weil es einfach nur fürchterlich war. Sie betrachtete ihre Fingerknöchel. Die darauf befindlichen Verletzungen waren die einzigen, die sie nicht unter der Kleidung verstecken konnte. Sie hatte sich gewehrt, aber sie wusste nicht, gegen wen. Geschweige denn, warum derjenige sie angegriffen hatte.
Mehr als einmal hatte sie auf dem Weg zur Rezeption das Gefühl überkommen, beobachtet zu werden. Jeden, der sich in der Nähe aufhielt, beäugte sie misstrauisch. Ohne eine klare Erinnerung an die Geschehnisse vermutete sie in jedem einen potenziellen Angreifer, so paranoid das auch war. Nur eine Person hatte sie von Anfang an von ihrer Verdächtigenliste gestrichen. Quinn. Obwohl ausgerechnet er spurlos verschwunden war, was normalerweise ihr Vertrauen nicht stärken sollte.
Wieder beschlich sie das Gefühl, beobachtet zu werden. Ihre Nackenhaare stellten sich auf, doch statt sich nach der Ursache umzuschauen, presste sie die lederne Verbandstasche, die sie mehr aus Gewohnheit als aus einem triftigen Grund mitgenommen hatte, schützend vor die Brust. Wirklich helfen würde das nicht.
„Wir können nun zu Mrs. Edelstein gehen.“ Die Stimme des Empfangschefs riss sie aus den Gedanken.
Der Name sagte ihr nichts, dennoch bestand kein Zweifel, dass es sich um eine ihrer ehemaligen Mitschülerinnen handelte. Eine bis zur Unkenntlichkeit gedunsene Jane Doe auf dem Autopsietisch war etwas völlig anderes, als nun einer Frau gegenüberzutreten, die sie kannte. Die lebte und atmete und der Schreckliches wiederfuhr, wenn sie sich den richtigen Reim auf die spärlichen Angaben des Empfangschefs machte.
Edwards, der neben ihr herlief, bemerkte ihr Zögern, blieb stehen und sah sie betreten an. „Sie müssen Mrs. Edelstein persönlich kennen. Ist das ein Problem?“
„Nein.“
Er stutzte, erwartete vermutlich eine ausführlichere Antwort, aber zog es dann doch vor, sich damit zu bescheiden. Warum auch nicht? Sie war nicht kalt, sie war professionell. Sie war die Einzige mit einer medizinischen Ausbildung hier. Es war ihre Pflicht zu helfen, ihre Psyche stand hier nicht zur Debatte. „Können Sie mir sagen, was Sie vermuten lässt, dass Mrs. Edelstein einen Nervenzusammenbruch erlitten hat?“
Auf dem Weg zum Fahrstuhl kamen sie an einer Sitzgruppe vorbei, wo sich nur ein Gast aufhielt. Als sie ihn erkannte, degradierte ihr Verstand die Erklärungen des Empfangschefs zur Hintergrundmusik. Das kurz geschnittene, schmutzig blonde Haar. Das kantige
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