Geliebte der Finsternis
um einander die restliche Reise zu erleichtern und sich in künftigen Nächten zu trösten. Und wenn die letzte Nacht hereinbricht …«
Jetzt verstummte er. Neue Tränen in den Augen, schaute er Cassandra an. Beinahe fing auch sie wieder zu weinen an.
»Das kann ich nicht sagen«, gestand er leise.
»Daddy?«
Über seine Wange rann eine Träne. Er wich zurück, und Phoebe umarmte ihn.
Als Cassandra zu ihm eilen wollte, hob ihre Schwester abwehrend eine Hand. »Sprich weiter, Uri«, bat sie und führte ihren Vater etwas abseits.
Am liebsten wäre Cassandra den beiden gefolgt. Aber sie merkte ihrem Vater an, wie sehr es ihn bedrückte, dass
er ihre Hochzeit verdorben hatte. Natürlich wollte sie ihn nicht in noch tiefere Verlegenheit stürzen, und so blieb sie neben Wulf stehen.
Urian ging zu ihnen. »Und wenn die letzte Nacht hereinbricht, werden wir einander beistehen, so wie wir es gelobt haben. Demjenigen, der die Reise zuerst antreten muss, werden wir die Qual erleichtern. Unsere Seelen haben einander berührt. Fleisch an Fleisch haben wir geatmet. Diese Existenz werden wir erst verlassen, wenn die Schicksalsgöttinnen beschließen, uns in Katoteros wieder zu vereinen.«
Als er das atlantäische Wort für »Himmel« aussprach, kämpfte Cassandra mit neuen Tränen.
Urian wandte sich zu einem Podest. Darauf stand ein kunstvoll verzierter goldener Kelch, mit den eingravierten Bildern der drei Schicksalsgöttinnen.
Dieses Gefäß überreichte er der Braut. »Normalerweise wäre der Kelch mit eurem vermischten Blut gefüllt. Aber da ihr diese Tradition ablehnt, haben wir Wein hineingegossen.«
Zuerst nahm Cassandra einen Schluck, dann trank Wulf aus dem Kelch und gab ihn Urian zurück. Wie es den apollitischen Gebräuchen entsprach, neigte er sich zu Cassandra hinab und küsste sie, sodass der Geschmack des Weines das Brautpaar vereinte.
Urian stellte den Kelch auf das Podest und beendete die Zeremonie. »Hier steht die Braut, Cassandra. In dieser Welt ist sie einzigartig. Ihre Schönheit, ihre Anmut und ihre Reize sind das Erbe jener, die vor ihr lebten. Dies alles wird sie ihren Nachkommen schenken. Und dieser Mann, Wulf …« Die Stirn gefurcht, unterbrach er sich. »… ist das Geschöpf eines Biests, das den Gedanken nicht erträgt, Apollos Kinder würden die Erde beherrschen.«
»Benimm dich, Urian!«, fauchte Phoebe, die immer noch neben ihrem Vater stand.
Mit diesem Befehl schürte sie seinen Unmut. »Wenn man bedenkt, dass ich soeben ein Mitglied deiner Familie mit einem Angehörigen der Spezies vermähle, die ich auszurotten geschworen habe, benehme ich mich erstaunlich gut.«
Der Blick, den sie ihm zuwarf, verkündete ausdrucksvoll, er würde mindestens eine Woche allein schlafen.
Vermutlich eher länger.
Die Lippen gekräuselt, wandte er sich wieder zu Wulf. Deutlich genug verriet seine Miene, wem er den Zorn seiner Frau anlastete. »Okay, ich bin froh, weil ich nicht aussprach, was ich wirklich denke«, murmelte er.
Mit lauterer Stimme setzte er die Zeremonie fort.
»Eure gemeinsamen Wesenszüge haben euch zusammengeführt, und die Unterschiede werden euer Leben interessant gestalten. Mögen die Götter eure Ehe segnen und schützen und …« Er machte wieder eine Pause. »Da Cassandras Fruchtbarkeit bereits erwiesen ist, können wir uns diesen Teil des Textes ersparen.«
Während Phoebe entrüstet stöhnte, starrte die Braut ihn wütend an, und Urian bedachte Wulf mit einem weiteren mörderischen Blick.
»Mögt ihr jede Minute genießen, die euch noch bleibt.«
Dann ergriff er die Bänder, die sich um die Hände der Braut und des Bräutigams schlangen, und verknotete sie. Auf diese Weise sollten sie die ganze Nacht verbunden bleiben. Erst am Morgen würde man die Bänder zerschneiden und vergraben. Das sollte den beiden Glück bringen.
Kurz danach führten Chris und Kat die kleine Prozession
an, die zum Apartment zurückkehrte. Cassandra ging neben ihrem Vater. Liebevoll schlang er einen Arm um ihre Taille. »Tut mir leid, ich konnte einfach nicht weitersprechen.«
»Schon gut, Daddy, das verstehe ich«, antwortete sie wahrheitsgemäß.
Schweren Herzens dachte auch sie an den Abschied, der immer näher rückte.
Vor der Wohnungstür angekommen, nahm Wulf seine Frau nach nordischer Sitte auf die Arme und trug sie über die Schwelle. Diese Geste verblüffte Cassandra, denn es kostete ihn einige Mühe, sie hochzuheben, während seine und ihre Hände aneinandergebunden
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