Geliebte der Finsternis
gar nicht. Und ich wette, sein Vater weiß es ebenso wenig.«
Entrüstet schnappte Phoebe nach Luft.
»Nur ein Scherz, Phoebe«, beteuerte Kat. »Kopf hoch.«
»Wie können Sie so nonchalant sein? Trotz der Gefahr, in der wir alle schweben?«
»Im Gegensatz zu den Apolliten weiß ich, dass ich diese Nacht überleben werde. So oder so. Es sei denn, die Erde wird zerstört, oder die Daimons reißen mich in Stücke. Mir wird nichts passieren, ich sorge mich nur um euch alle.«
»Dann bleiben Sie stets in meiner Nähe«, verlangte Wulf, nur halb im Scherz. »Wahrscheinlich brauche ich eine Mitstreiterin, an der alles abgleitet.«
»Ja, ja«, seufzte Kat und schob ihn zum Ausgang. »Der große Wikingerkrieger versteckt sich hinter mir. Das glaube ich erst, wenn ich’s sehe.«
Wenige Minuten später fuhren sie im Lift nach oben. Der Land Rover, in dem sie hierher gefahren waren, parkte in einer nahen Höhle. Darin standen verschiedene Vehikel für die Apolliten, die sich in Daimons verwandeln und in die menschliche Welt gelangen wollten.
Grauenvoll, dachte Wulf. Aber ausnahmsweise war er den Apolliten dankbar, die sich so fürsorglich um die künftigen Daimons kümmerten.
Inzwischen hatte die Schneeschmelze begonnen, und der Boden war nicht mehr festgefroren.
Shanus hatte ihm verschiedene Schlüssel gegeben, damit er ein Auto aussuchen konnte, das ihn möglichst schnell nach St. Paul bringen würde. Aufmerksam sah er sich um und wählte einen dunkelblauen Mountaineer.
Zuerst stieg Kat ein. Zögernd blieb er stehen, schaute in die Richtung, aus der sie gekommen waren, und seine Gedanken kehrten zu seiner Familie zurück.
»Alles wird gut, Wulf.«
»Ja«, murmelte er. Verdammt noch mal, dafür würde er sorgen. Keine Sekunde lang zweifelte er daran.
Er setzte sich ans Steuer und fuhr zur Stadt. Zunächst würde er bei seinem Haus anhalten. Oder bei der Ruine,
die seine Feinde zurückgelassen hatten. Für den Kampf, der ihm bevorstand, brauchte er noch einige Waffen.
Nach einer guten Stunde erreichten sie das Anwesen. Wulf parkte in der Zufahrt und sondierte die Lage. Seltsam - nichts wies auf den erbitterten Kampf hin, der hier stattgefunden hatte. Die Garage war intakt, es gab kein einziges zerbrochenes Fenster.
Sogar das Gartentor war unversehrt.
»Hat Stryker alles wieder instand gesetzt, Kat?«
Da brach sie in Gelächter aus. »Glauben Sie mir, das ist nicht sein Stil. Niemals repariert er, was er beschädigt hat. Keine Ahnung, was hier geschehen ist. Vielleicht war’s der Knappenrat?«
»Nein, die wussten gar nicht, was passiert ist.«
Wulf zog seine Fernbedienung aus der Tasche und öffnete das Tor. Langsam fuhr er auf das Haus zu und rechnete mit dem Schlimmsten.
Als er sich der Tür näherte, trat er abrupt auf die Bremse.
Im Schatten neben dem Gebäude sah er eine Bewegung.
Wirbelnde Nebelschwaden wehten vom See heran. Er schaltete die Scheinwerfer aus, damit die Schleier seine Sicht nicht beeinträchtigten, und griff nach dem aufklappbaren Schwert unter dem Fahrersitz.
Da entdeckte er drei hochgewachsene, schwarz gekleidete Männer, die langsam und arrogant heranschlenderten, so als hätten sie alle Zeit der Welt. In der Aura, die sie verströmten, lag unbesiegbare Kraft, vermischt mit einem fast greifbaren Kampfgeist.
Alle waren blond.
»Bleiben Sie hier«, ermahnte er Kat und stieg mit gezücktem Schwert aus dem Mountaineer.
Von Nebelschwaden umhüllt, kamen die drei Männer näher.
Der eine, etwa eins neunzig groß, trug einen Wollmantel über seiner Hose und dem Pullover. An einer Seite war der Mantel geöffnet und entblößte eine antike Scheide mit einem griechischen Schwert. Der Mann in der Mitte war ungefähr fünf Zentimeter größer. Auch er trug einen Pullover unter einem langen schwarzen Ledermantel und eine Wollhose. Der Dritte, in schwarzem Biker-Leder, hatte dunkleres Haar als die beiden anderen. Von seiner linken Schläfe hingen zwei Zöpfe herab.
Daran erkannte Wulf ihn.
»Talon?«
Das Gesicht des Bikers verzog sich zu einem breiten Grinsen. »So, wie du dieses Schwert hältst, habe ich mich schon gefragt, ob du dich an mich erinnerst, Wikinger.«
Lachend schüttelte Wulf die Hand des Kelten. Seit über einem Jahrhundert hatte er seinen alten Freund nicht mehr gesehen. Dann wandte er sich zu dem Mann in der Mitte. Vor langer Zeit war er ihm in New Orleans begegnet, wo er sich kurzfristig während einer Mardi Gras-Nacht aufgehalten hatte.
»Kyrian?«, fragte er.
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