Geliebte der Finsternis
war. So schreckliche Qualen hatte sie erduldet. »Du darfst nicht sterben. Schon gar nicht so wie …«
»Glaub mir, das will ich auch nicht«, fiel sie ihm erneut ins Wort.
»Dann kämpfe für mich. Und für Erik.«
Beklommen stöhnte sie. »Oh, es ist so unfair! Ich will nicht sterben. Aber was du von mir verlangst, ist unmöglich. Es widerspricht allem, wofür du dich eingesetzt hast, woran du glaubst. Sicher würdest du mich hassen.«
»Niemals!«
Skeptisch runzelte sie die Stirn. »Unzählige Männer lassen sich scheiden, die das bei ihrer Heirat dachten. Und dann hassten sie ihre Frauen. Was würdest du in einem Jahr empfinden, wenn ich mehrere unschuldige Menschen getötet habe?«
Das wollte er sich nicht vorstellen. Er kannte nur einen
einzigen Gedanken. Zum ersten Mal in seiner Ewigkeit entschloss er sich zur Selbstsucht. Zum Teufel mit der Welt! Zwölfhundert Jahre lang hatte er die Menschen verteidigt.
Jetzt wünschte er sich eine glückliche Zukunft mit Cassandra. War das zu viel verlangt, nach allem, was er für die Menschheit getan hatte?
»Wirst du wenigstens darüber nachdenken - mir zuliebe?«, bat er, obwohl er wusste, dass sie sich nicht anders besinnen würde. Und dass sie recht hatte.
Sei bloß vorsichtig mit deinen Wünschen. Sonst werden sie womöglich erfüllt. Talons mahnende Worte hallten in seinem Gehirn wider.
»Okay«, wisperte sie. Aber noch während sie antwortete, erkannte sie, wie sinnlos solche Überlegungen wären. Ihr Entschluss stand fest.
Als das Telefon läutete, zuckten beide zusammen.
Wulf zog das Handy aus seinem Gürtel. Da weder ein Name noch eine Nummer im Display erschienen, nahm er an, Acheron würde ihn anrufen, und meldete sich.
»Hi, Wikinger.«
Der ausgeprägte griechische Akzent, an den er sich nur zu gut erinnerte, ließ sein Blut gefrieren. »Stryker?«
»In der Tat. Also erkennen Sie mich. Sehr gut, ich bin stolz auf Sie.«
»Woher haben Sie meine Nummer?«, stieß Wulf hervor. Wenn Urian mich verraten hat, reiße ich ihm das Herz aus der Brust und stopfe es zwischen seine Zähne.
»Ah, eine interessante Frage, nicht wahr? Eins muss ich Ihnen zugestehen - Sie haben mich ziemlich raffiniert an der Nase herumgeführt. Aber ich habe meine Informationsquellen. Glücklicherweise wohnt eine in dieser Stadt.«
»Wer?«
»Ts, ts, ts. Die Neugier bringt Sie fast um, was? Wen habe ich mir geschnappt? Was beabsichtige ich? Werde ich die Person umbringen, die sich in meinem Gewahrsam befindet?« Stryker seufzte enthusiastisch. »Also gut, ich lasse Gnade walten. Ich werde Sie nicht länger auf die Folter spannen. Sicher sind Sie schlau genug, um zu erraten, was ich möchte.«
»Ganz egal, wen Sie gefangen halten, ich werde Cassandra nicht zu Ihnen bringen.«
»Oh, die will ich gar nicht haben. Benutzen Sie doch Ihren Verstand, Wikinger! In ein paar Wochen stirbt sie ohnehin. Was ich verlange, ist Ihr Sohn. Und zwar sofort.«
»Zur Hölle mit Ihnen!«
Der Daimon schnalzte wieder mit der Zunge. »Ist das Ihr letztes Wort? Wollen Sie wirklich nicht hören, wessen Seele ich verschlingen werde?«
Nein, dachte Wulf. Solange es um Cassandra und Erik ging, spielte es keine Rolle. Auf dieser Welt war niemand wichtiger. Trotzdem musste er es erfahren. »Wer ist es?«
Eine Zeit lang blieb es still in der Leitung, während er den Atem anhielt. Cassandra und Erik konnten es nicht sein. Chris auch nicht. Wer blieb noch übrig?
Dann drang die Antwort aus dem Handy und ließ ihn frösteln. »Wulf?«
Diese Stimme kannte er.
Cassandras Vater.
16
Als Wulf auf die Aus-Taste des Handys drückte, überschlugen sich seine Gedanken. Er wandte sich zu Cassandra und sah ihr bleiches Gesicht.
»Was hat er gesagt?«, fragte sie.
Ein Teil von ihm wollte sie belügen. Doch das konnte er nicht. Dafür fühlte er sich zu eng mit ihr verbunden. Niemals würde er ihr irgendetwas verheimlichen. Also würde er jetzt nicht damit anfangen.
Außerdem hatte sie ein Recht auf die Wahrheit. »Stryker will deinen Vater gegen Erik austauschen. Wenn wir uns weigern, stirbt dein Vater.«
Nun verschwieg er ihr doch etwas. Vermutlich würde ihr Vater so oder so sterben - nach allem, was er über Stryker wusste.
Die Augen von kaltem Grauen erfüllt, presste Cassandra eine Hand auf ihre Kehle. »Was sollen wir tun? Ich kann ihm nicht erlauben, Daddy zu ermorden. Und ich werde ihm niemals mein Baby geben.«
Wulf stand vom Bett auf und bemühte sich, möglichst ruhig zu sprechen, um sie
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