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Geliebte der Finsternis

Titel: Geliebte der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherrilyn Kenyon Eva Malsch
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Heimatdorf erfahren hatte, erschienen mir irdische Güter nicht mehr wichtig. Wenn ich das Gelübde meines Vaters auch nicht verstand - ich hätte bei ihm bleiben und ihn beschützen müssen.«
    Cassandra berührte seinen nackten Arm. »Wie sehr musst du deinen Vater geliebt haben …«
    Müde seufzte er auf. »Manchmal. In anderen Augenblicken hasste ich ihn, weil er nicht den Mann darstellte, der er hätte sein müssen. Wenn er auch ein geachteter Jarl war - wir lebten wie hungernde Bettler, von unseren eigenen Verwandten verhöhnt und bespuckt. Voller Stolz erduldete meine Mutter die Beleidigungen und erklärte, unser Leid sei Gottes Wille. Dadurch könnten wir bessere Menschen werden. Aber das nahm ich nicht ernst. Das blinde Vertrauen meines Vaters in ihren Glauben erzürnte mich nur noch mehr. Ständig stritt ich mit ihm. Er drängte mich unentwegt, in seine Fußstapfen zu treten und all den Schimpf klaglos zu ertragen.«

    Die Qual in seinen Augen erschütterte sie noch tiefer als seine sanfte Hand, die ihre umfasste.
    »So eifrig bemühte er sich um seinen Sohn. Er wollte mich in einen Mann verwandeln, der ich nicht war. Doch ich brachte es nicht über mich, auch die andere Wange hinzuhalten. Wer mich beleidigte, musste es bitter büßen. Wenn ich geschlagen wurde, schlug ich zurück, weil es meinem Wesen entsprach.«
    Plötzlich starrte er sie an und runzelte die Stirn.
    »Warum erzähle ich dir das alles?«
    Einige Sekunden lang dachte sie darüber nach. »Weil wir nur träumen. Da bin ich mir ganz sicher. Wahrscheinlich bedrückt es dich unablässig.« Aber warum sie davon träumte, konnte sie sich nicht erklären.
    Mit jeder Minute erschien ihr dieser Traum seltsamer, und sie verstand nicht, warum ihr Unterbewusstsein sie in diese Hütte geführt hatte.
    Wieso beschwor sie eine Fantasie über ihren mysteriösen Dark Hunter herauf?
    Er nickte. »Aye, zweifellos. Ich fürchte, ich mute Christopher zu, was früher mir angetan wurde. Ich müsste ihn so leben lassen, wie es ihm gefällt, und mich nicht mehr so oft in seine Entscheidungen einmischen.«
    »Warum tust du das?«
    »Soll ich ehrlich sein?«
    Cassandra lächelte. »Natürlich ziehe ich die Wahrheit einer Lüge vor.«
    Da lachte er leise, bevor sich seine Miene wieder verdüsterte. »Weil ihn nicht auch noch verlieren möchte …« Seine Stimme klang so qualvoll, dass sich ihre Brust zusammenkrampfte. »Trotzdem weiß ich, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als diesen Verlust zu akzeptieren.«
    »Warum?«

    »Jeder muss sein Dasein beenden, Mylady. Zumindest im Bereich der Sterblichen. Ich lebe weiter, während alle um mich herum dahinschwinden, immer und immer wieder.« Unglücklich schaute er in ihre Augen, und sie litt mit ihm. »Kannst du ermessen, wie das ist - einen geliebten Menschen in den Armen zu halten und seinen letzten Atemzug zu spüren?«
    Schweren Herzens dachte sie an den Tod ihrer Mutter und ihrer Schwestern. Nach der Explosion hatte sie zu ihnen laufen wollen. Aber ihr Bodyguard hatte sie zurückgehalten, während sie in wildes Schluchzen ausgebrochen war.
    » Zu spät, Cassie, du kannst ihnen nicht helfen. Jetzt müssen wir fliehen.«
    An jenem Tag hatte ihre Seele geblutet.
    Die Ungerechtigkeit ihres Schicksals peinigte sie nach wie vor.
    »O ja«, flüsterte sie, »auch ich sah einige Verwandte sterben, die ich liebte. Jetzt habe ich nur noch meinen Vater.«
    Wulfs Blick verschärfte sich. »Dann stell dir vor, so etwas geschieht viele tausend Mal, Jahrhundert um Jahrhundert. Stell dir vor, du siehst sie zur Welt kommen, leben und sterben. Das wiederholt sich mit jeder neuen Generation. Jedes Mal, wenn ich ein Mitglied meiner Familie sterben sehe, denke ich an den Tod meines Bruders Erik. Und Chris …« Verzweifelt stöhnte er, als würde ihn allein schon der Klang dieses Namens quälen. »Er ist das Ebenbild meines Bruders.« In schmerzlicher Ironie hob er einen Mundwinkel. »Er gleicht ihm auch in seinem Wesen, in seinem mutwilligen Temperament. Nach all den Angehörigen, die ich verloren habe, wird mich sein Tod am härtesten treffen.«

    Tief bewegt erkannte sie die unverhohlene Verletzlichkeit in seinen Augen und staunte, weil dieser starke, unbesiegbare Mann eine so menschliche Schwäche zeigte. »Er ist jung, sein ganzes Leben liegt noch vor ihm.«
    »Nun, vielleicht - aber mein Bruder war erst vierundzwanzig, als unsere Feinde ihn töteten. Niemals werde ich das Entsetzen seines Sohnes Bironulf vergessen, der ihn

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