Geliebte der Finsternis
Leute akzeptieren. Aber wenn sie von der Voraussetzung ausging, sie würden tatsächlich existieren?
Ihr ganzes bisheriges Leben hatte sie damit verbracht, sich zu verbergen, und etwas Wichtiges dabei gelernt. Am besten versteckte man sich in der Öffentlichkeit, denn die
Menschen neigten dazu, nicht wahrzunehmen, was sich direkt vor ihren Augen abspielte.
Und wenn sie es sahen, fanden sie einleuchtende Erklärungen, oder sie versuchten es zu bagatellisieren.
Zweifellos dachten die Dark Hunter genauso. In dieser modernen Welt hielt man Vampire und Dämonen für Hollywood-Mythen. Also mussten sie sich gar nicht verkriechen, denn die meisten Leute würden sie als Exzentriker abstempeln.
Cassandra wartete das Intro in die Website ab. Dann klickte sie einzelne Dark Hunter an, die aufgelistet waren.
Da gab es einen gewissen Wulf Tryggvason, dessen Knappe Chris Eriksson hieß. Angenommen, Wulf war ein Wikingerkrieger und verflucht worden …
Sie öffnete die Datei und danach Nillstrom, eine Suchmaschine für altnorwegische Legenden und Geschichte …
»Bingo«, wisperte sie.
Der Sohn einer Mutter aus Gallien und eines norwegischen Vaters, war Wulf Tryggvason ein berühmter Abenteurer und Eroberer um die Mitte des achten Jahrhunderts gewesen. Auf welche Weise er den Tod gefunden hatte, stand nicht eindeutig fest. Es hieß nur, eines Tages sei er nach dem Kampf gegen einen mercischen Kriegsherrn verschwunden, der ihn zu töten versucht habe. Angeblich war er in der folgenden Nacht von einem rachsüchtigen Sohn des Kriegsherrn niedergemetzelt worden.
Als sie die Tür klicken hörte, hob sie den Kopf und sah ihren Bodyguard auf der Schwelle stehen.
»Bist du beschäftigt?«, fragte Kat.
»Ja, ich will was recherchieren.«
»Ah.« Kat ging zu Cassandra und schaute ihr über die
Schulter. »›Wulf Tryggvason‹«, las sie, »›Pirat und Krieger. Ohne ein Risiko zu scheuen, kämpfte er sich quer durch Europa und wurde von Christen und Heiden gleichermaßen angeheuert. Angeblich fühlte er sich nur seinem Schwert und seinem Bruder Erik verpflichtet, der mit ihm reiste …‹ Faszinierend. Glaubst du, das könnte der Typ sein, den du im Inferno gesehen hast?«
»Vielleicht. Hast du jemals von ihm gehört?«
»Nein. Soll ich Jimmy fragen? Der kennt sich mit der Wikingergeschichte aus.«
Nachdenklich starrte Cassandra vor sich hin. Kats Freund gehörte einem Verein für kreative Anachronismen an, das Studium der Wikingerkultur war gewissermaßen sein Lebensinhalt.
Aber im Augenblick interessierte sie sich nicht für Wulfs Vergangenheit, sondern für seine Gegenwart. Vor allem brauchte sie seine derzeitige Adresse.
»Ja, okay.«
»Bist du sicher?«
»Klar.«
Kat nickte. »Also gut. Jetzt gehe ich wieder in mein Zimmer und lese mein Buch zu Ende. Soll ich dir was zu essen oder zu trinken bringen?«
»Oh, eine Limo wäre großartig«, antwortete Cassandra lächelnd.
Kat verschwand. Ein paar Minuten später kehrte sie mit einer Flasche Sprite zurück. Cassandra dankte ihr und konzentrierte sich wieder auf ihre Arbeit, nachdem die Freundin das Zimmer verlassen hatte.
Während sie im Netz surfte, nippte sie immer wieder gedankenverloren an ihrem Getränk.
Etwa eine Stunde später war sie so müde, dass sie die Augen kaum noch offenzuhalten vermochte. Gähnend
schaute sie auf die Uhr. Erst halb sechs. Trotzdem wurden ihre Lider immer schwerer. So sehr sie auch dagegen ankämpfte, sie konnte nicht länger wach bleiben.
Also schaltete sie den Computer aus und sank aufs Bett, um ein kurzes Schläfchen zu halten.
Sobald ihr Kopf das Kissen berührte, schlummerte sie ein. Normalerweise träumte sie nicht, wenn sie einen Nachmittagsschlaf hielt.
Diesmal war es anders.
Kaum hatte sie die Augen geschlossen, begann auch schon ihr Traum.
Wie seltsam …
Ihr Fantasiereich glich keinem ihrer bisherigen Träume. Meistens träumte sie von aufregenden oder schrecklichen Dingen. Jetzt empfand sie einen tiefen Frieden, ein warmer, sanfter Kokon hüllte sie ein.
Sie trug ein dunkelgrünes Kleid im mittelalterlichen Stil. Mit gerunzelter Stirn strich sie über den Stoff, der sich noch weicher als Veloursleder anfühlte.
In einer steinernen Hütte, wo in einem großen Herd ein Feuer loderte, stand sie neben einem alten Holztisch. Vor einem Fenster heulte der Wind, die geschlossenen Läden ratterten.
Hinter ihr knarrte die Tür.
Cassandra drehte sich um, gerade rechtzeitig, um Wulf eintreten zu sehen. Bei seinem Anblick
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