Geliebte der Finsternis
andere Sorgen bewegten?
Er führte sie die Stufen zu seinen Räumen hinab. »Was mich überrascht, Cassandra - warum sorgt Apollo nicht besser für sein Volk? Wenn man bedenkt, wie wichtig das wäre!«
»Zunächst gab es sehr viele von unserer Art. Jetzt bin nur noch ich übrig. Natürlich war es nicht besonders hilfreich, dass wir so gnadenlos gejagt und ausgelöscht wurden.«
Wulf blieb vor seiner versperrten Tür stehen, neben der ein Tastenfeld an der Wand hing.
»Paranoid?«, fragte Cassandra.
In ironischem Amüsement lächelte er und tippte den Code ein. »Tagsüber arbeiten mehrere Dienstboten für uns. Von mir wissen sie nichts, weil sie sich nicht an meine Existenz erinnern. Mit dieser elektronischen Sperre
verhindere ich, dass sie in mein Apartment stolpern und schreien, ein Einbrecher sei eingedrungen, während Chris das College besucht.«
Ja, das erschien ihr sinnvoll. »Wie fühlt man sich, wenn man anonym ist?«
Er öffnete die Tür und knipste eine schwache Deckenleuchte an. »Manchmal kommt es mir so vor, als wäre ich unsichtbar. Dass ich mich nicht mehr vorstellen muss, wenn ich dich und Kat wiedersehe, finde ich sonderbar.«
»Auch Acheron und Talon erinnern sich an dich.«
»Stimmt. Dark Hunter und Katagaria Were Hunter kennen mich. Aber allzu lange darf ich mich nicht in der Nähe anderer Dark Hunter aufhalten, sonst würden ihre und meine Kräfte schwinden. Und die Were Hunter werden in meiner Gegenwart nervös und gereizt. Nur unter ihresgleichen fühlen sie sich wohl.«
Während er zu seinem Bett ging, schaute sie sich in dem großen Zimmer um. An einer Wand befand sich eine Computer-Station, die Cassandra an die NASA erinnerte, auf dem modernen schwarzen Schreibtisch schimmerte ein silberner Alienware-Rechner.
Was sie noch mehr verblüffte, war das schwarze Bett in der hinteren rechten Ecke. Genauso wie in ihrem Traum … Die glänzenden schwarzen Marmorwände reflektierten alles im Raum.
Nur Wulf spiegelte sich nicht darin, so wie in jenem Traum.
An der Wand zur Linken hingen Porträts über einem langen Mahagonibuffet, einige Hundert Bilder in silbernen Rahmen. Eine schwarze Ledercouch, so ähnlich wie die Sofas im oberen Wohnzimmer, und ein passender Lehnstuhl standen vor einem großen Flachbild-Fernseher.
Beim Anblick der zahlreichen Gesichter aus der Vergangenheit
dachte Cassandra an die Frau, deren Porträt oben neben Kats Gästezimmer hing.
Über diese Frau wusste Wulf sehr viel. Was mochte er über die anderen Gesichter an dieser Wand wissen? Lauter Menschen, die wahrscheinlich nur sehr wenig über ihn erfahren hatten. »Musstest du dich immer wieder mit Isabella bekannt machen?«
Er schloss die Tür hinter sich. »In diesem Fall war es etwas einfacher. Da sie einer Knappenfamilie entstammte, verstand sie, dass ich der verfluchte Dark Hunter war. Jedes Mal, wenn wir uns trafen, lächelte sie und sagte: ›Oh, Sie müssen Wulf sein. Freut mich, Sie wiederzusehen.‹«
»Wussten auch die Ehepartner dieser Leute über dich Bescheid?«
»Nein, nur die Angehörigen der Knappenfamilien. Normalen Menschen kann man nur schlecht erklären, im Kellergeschoss würde ein unsterblicher Wikinger hausen, an den sie sich nicht erinnern, obwohl sie ihn gesehen und mit ihm gesprochen haben. Die meisten, Chris’ Mutter inklusive, ahnen nichts von meiner Existenz.«
Cassandra beobachtete, wie er sich setzte und seine Stiefel auszog. Was für große Füße der Mann hatte.
»Gehört Chris’ Mutter nicht zu den Knappen?«, fragte sie und riss ihren Blick von Wulfs entblößten Füßen los, die den Wunsch weckten, auch andere nackte Teile seines Körpers zu betrachten.
»Nein. Sein Vater lernte sie kennen, während er in einem Imbisslokal arbeitete. Weil er sie so heiß und innig liebte, mischte ich mich nicht ein.«
»Warum bekamen sie nur Chris und keine anderen Kinder?«
Seufzend schob er die Stiefel unter den Schreibtisch. »Bevor seine Mutter ihn zur Welt brachte, hatte sie drei
Fehlgeburten. Er wurde drei Wochen zu früh geboren. Danach erklärte ich seinem Vater, die arme Frau dürfe sich keine weitere Schwangerschaft zumuten.«
Erstaunlich, dachte Cassandra, obwohl er seine Blutlinie so wichtig nimmt. »Das hast du wirklich getan?«
Er nickte. »Wie konnte ich von den beiden verlangen, noch mehr Kinder zu zeugen? Bei Chris’ Geburt ist seine Mutter fast gestorben. Und die Fehlgeburten brachen ihr das Herz.«
So selbstlos, dachte sie. Dafür bewunderte sie ihn. Sie freute
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