Geliebte der Finsternis
sich, dass er nicht der Barbar war, für den sie ihn zunächst gehalten hatte. »Nur wenige Leute hätten so uneigennützig gehandelt. Du bist ein guter Mann.«
»Da würde Chris dir widersprechen.«
»Sogar einem Wegweiser würde er widersprechen.«
Sein Gelächter sandte einen wohligen Schauer über ihren Rücken. Wie sie den Klang seiner tiefen Stimme liebte.
Vergiss es!
Irgendetwas musste sie unternehmen, um nicht ständig an seine betörende Anziehungskraft zu denken.
»Jetzt bin ich müde«, gestand sie und gähnte. »Obwohl ich eben erst schwanger wurde, brauche ich meinen Schlaf.« Sie zeigte auf eine geschlossene Tür. »Ist dort das Bad?«
Wulf nickte.
»Okay, jetzt ziehe ich mich um. Dann gehe ich ins Bett.«
»Im Arzneischrank findest du eine neue Zahnbürste.«
»Danke.«
Cassandra betrat das Bad, schloss die Tür und öffnete den kleinen Schrank. Erstaunt inspizierte sie die zahlreichen Medikamente. In einem Fach lagen sogar ein Skalpell
und medizinisches Nähmaterial. Anscheinend war es nicht nur für sie, sondern auch für Wulf problematisch, einen Arzt zu konsultieren.
Als sie nach der neuen Zahnbürste suchte, entsann sie sich, dass die Daimons auf ihn geschossen hatten, und ihr Blick glitt wieder zu den Arzneimitteln.
Offenbar musste er seine Verletzungen selbst verarzten. Allein. Von seinen Wunden hatte er nie gesprochen. In den Träumen war ihr nichts dergleichen aufgefallen.
Dann erinnerte sie sich, wie schnell die Stichwunde verheilt war, die sie Stryker mit ihrem Dolch zugefügt hatte. Besaß auch Wulfs Körper diese Regenerationsfähigkeit?
»Armer Wulf«, wisperte sie, während sie sich umzog.
Wie seltsam, hier zu wohnen. Bei ihm, in seiner Domäne. Noch nie hatte sie eine Nacht mit einem Mann verbracht. Ihre wenigen sexuellen Kontakte mit Jungs waren belanglos gewesen, sie hatte die fremden Apartments immer möglichst schnell verlassen. Weil es überflüssig gewesen war, länger zu bleiben und tiefere Beziehungen anzustreben.
Aber mit Wulf fühlte sie sich verbunden. Viel zu eng. Er war der Vater ihres Babys. Sollten sie einander vielleicht doch etwas näherkommen?
Ja, das wäre sicher richtig.
Sie kehrte ins Wohnzimmer zurück und sah ihn im Lehnstuhl sitzen, bis auf die Stiefel immer noch vollständig angezogen.
»Leg dich ins Bett«, sagte er, »ich schlafe auf dem Sofa.«
»Das ist nicht nötig. Jetzt kannst du mich ohnehin nicht mehr schwängern.«
Dieser Scherz schien ihn nicht zu amüsieren.
Entschlossen ging sie zu ihm und ergriff seine Hand.
»Nun steh schon auf! Diesen ungewöhnlich großen Körper musst du wirklich nicht auf einer kleinen Couch zusammenkrümmen. Da drüben wartet ein Bett, das ist breit genug für uns beide.«
»Ich habe noch nie ein Bett mit einer Frau geteilt.«
»Was?« Cassandra hob ungläubig die Brauen.
»Zumindest nicht, um zu schlafen«, ergänzte er. »Kein einziges Mal habe ich eine Nacht mit jemandem verbracht.«
»Niemals?«
»Niemals«, bestätigte er.
O Gott, sie waren einander viel ähnlicher, als sie vermutet hätte. »Für neue Erfahrungen ist man nie zu alt. Nun ja, du vielleicht schon. Aber in den meisten Fällen trifft diese Regel zu.«
Wieder einmal furchte sich seine Stirn auf bereits vertraute Weise. »Machst du eigentlich über alles diese albernen Witze?«
»Nein«, erwiderte sie und führte ihn zum Bett. »Aber ein bisschen Humor hilft mir, das Grauen meines Lebens zu ertragen. Weißt du, in gewissen Situationen muss man lachen oder weinen. Und Tränen würden mir die Kraft nehmen, die ich tagsüber brauche.«
Sie ließ seine Hand los und begann ihr Haar zu flechten.
Aber er hinderte sie daran. »Hör auf damit, das gefällt mir nicht.«
Als sie das Verlangen in seinen Mitternachtsaugen sah, schluckte sie. In diesem Zimmer, angesichts des Ausdrucks in seinem Gesicht, stieg ein eigenartiges Déjà-vu - Gefühl in ihr auf. Obwohl es falsch war, genoss sie das Feuer in Wulfs Blick. Und die Wärme seiner Finger, die ihre festhielten.
Noch besser wäre es, seine Hände auf ihrer Nacktheit zu spüren.
Wulf wusste, er dürfte nichts mit ihr teilen - weder ein Bett noch sonst etwas. Trotzdem konnte er der Versuchung nicht widerstehen.
Diesmal wollte er ihre reale Haut berühren, ihre Beine spüren, die seine Hüften umschlangen, während die Hitze ihres Körpers sein müdes Herz tröstete.
Nicht.
Der Befehl war so machtvoll, dass er ihn fast befolgte. Aber Wulf Tryggvason hatte noch nie auf Befehle
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