Geliebte der Finsternis
die Frau dreimal mit zwei Fingern auf ihr Kinn - eine heilige Apollitengeste. »Mögen die Götter ihm ewigen Frieden schenken. Vermutlich hat er sich böse Seelen angeeignet.«
»Was meinen Sie?«
»Offenbar gehörte er zu den Daimons, die sich weigern, unschuldige Menschen zu töten«, erklärte Cassandra. »Stattdessen fallen sie über Verbrecher her und stehlen Seelen voller Zorn und Hass. Wenn ein Daimon keinen starken Charakter besitzt, wird seine Seele dadurch vergiftet, und er verhält sich genauso kriminell wie zuvor seine Opfer.«
Die Polizistin nickte. »Anscheinend trifft das auf Jason zu. Als Sie ihn getötet haben, wollte er vermutlich sterben, Dark Hunter. Wenn ein Daimon von bösen Seelen kontrolliert wird, muss er Höllenqualen ertragen. Zumindest hat man mir das erzählt.« Resignierend zuckte sie die Achseln. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen - diese letzte Nacht möchte ich mit meiner Familie verbringen.«
»Ja, natürlich.« Cassandra wünschte ihr alles Gute, und die Frau folgte ihrem Sohn.
Die Augen von tiefer Trauer verdunkelt, schaute Wulf ihr nach. »Also hast du mir die Wahrheit über diese Daimons erzählt.«
»Gewiss.«
Gedankenverloren blickte er vor sich hin. Es verblüffte ihn, wie wenig die Dark Hunter wussten.
Da sie die Daimons eliminieren mussten, sollten sie diese Spezies besser verstehen. Andererseits - vielleicht auch nicht. Es war leichter, jemanden zu töten, den man nicht bemitleidete. Viel einfacher, in den Kategorien von Schwarz und Weiß zu denken.
Gut und Böse.
»Besuchen wir Phoebe«, schlug Cassandra vor, ergriff seine Hand und führte ihn zu einem anderen Korridor. »Sie hat gesagt, wir könnten jederzeit zu ihr kommen.«
Um Phoebes Apartment zu erreichen, brauchten sie nicht lange. In dem Stadtteil, wo sie wohnte, ging es sehr lebhaft zu.
Während Cassandra den Code für das Schloss in ein Tastenfeld eintippte, beobachtete Wulf die Apolliten, die an ihnen vorbeieilten.
Cassandra tat ihr Bestes, um nicht an die Zukunft zu denken. Oder an die Polizistin, die ihre letzte Nacht mit der Familie verbrachte. Bald wäre auch sie ein letztes Mal mit Wulf zusammen.
Könnte sie ihn doch auf Distanz halten, damit ihr Tod ihm keinen allzu großen Kummer bereitete.
Entschlossen verdrängte sie diesen Gedanken und konzentrierte sich auf die erfreuliche Tatsache, dass sie ihre Schwester wiedergefunden hatte.
Die Tür schwang auf, und Cassandra betrat den Raum.
Dann erstarrte sie. Phoebe lag auf Urian. Im schwachen Licht der Kerzen, die rings um die Couch flackerten, schimmerte ihre nackte Haut wie Gold.
Als Cassandra die beiden in flagranti ertappte, rang sie nach Luft.
Den Mund voller Blut, fuhr Phoebe hoch.
Verlegen wich Cassandra zurück und schloss die Tür. »Oh, das war wirklich ein schlechtes Timing.«
»Was ist los?« Wulf wandte sich zu ihr.
Dankbar, dass er die Szene nicht beobachtet hatte, ergriff sie seine Hand und wollte ihn wegziehen. Angesichts der Art und Weise, wie Daimons einander ernährten, hätte er womöglich einen Wutanfall bekommen. »Ich glaube, ich werde später mit ihr reden.«
So leicht gab er nicht klein bei. »Was ist passiert?«
Das würde sie einem Dark Hunter, der ihre Schwester verdammen würde, nicht verraten.
Die Wohnungstür öffnete sich.
»Cassie?« Jetzt trug Phoebe einen dicken blauen Bademantel. Ihr Gesicht war frisch gewaschen, aber das Haar zerzaust. »Stimmt was nicht?«
»Oh, das kann warten«, versicherte Cassandra hastig. »Macht nur weiter. Später komme ich noch einmal zu dir.«
Mit geröteten Wangen kehrte Phoebe ins Apartment zurück, und Wulf begann schallend zu lachen.
»Lass mich raten! Ist Urian bei ihr?«
Nun errötete Cassandra heftiger als ihre Schwester, und Wulf lachte noch lauter.
»Das ist nicht komisch!«, fauchte sie. »Wie würdest du dich fühlen, wenn uns jemand in einer intimen Situation erwischt?«
»Den würde ich umbringen.«
»Da siehst du’s. Wahrscheinlich denkt Urian genauso. Gehen wir, ich will nicht, dass mich das Bild der beiden nackten Gestalten monatelang in Albträumen verfolgt.«
Als sie den Korridor entlanggingen, lief ein kleines Mädchen zu Wulf, legte den Kopf in den Nacken und schaute anklagend zu ihm auf. »Werden Sie meine kleine Schwester wirklich töten, weil sie sich nicht hinter den Ohren gewaschen hat?«
Fassungslos wechselte er einen Blick mit Cassandra, die ebenso verblüfft war.
»Wie bitte?«, fragte Wulf.
»Meine Mommy sagt, die Dark Hunter
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