Geliebte des Blitzes
gerade auf die Startbahn rannten. »Gleich sind sie da.«
»Das sehe ich.«
Der Hubschrauber stieg empor, und als sie spürte, wie die Luft ihn trug, seufzte sie erleichtert – bis ihn ein Ruck erschütterte. Krachend landete er am Boden.
»Verdammt!« Wyatt zog den Knüppel nach hinten, der Vogel hob sich wieder und erschauerte erneut. »Offenbar hält ihn irgendwer fest.«
Geschosse prallten gegen die Windschutzscheibe, die glücklicherweise kugelsicher war. Winzige spinnwebenartige Risse bildeten sich im Glas, aber dennoch hielt es den Schüssen stand. Bisher. Faith sah sich um. Am Rand des Startplatzes stand ein Mann im schwarzen Overall, unbewaffnet, und konzentrierte sich auf den Helikopter.
Auch Wyatt entdeckte ihn. »Bingo.«
Das Blut pulsierte schneller durch Faiths Adern. »Um den kümmere ich mich, du fliegst.« Sie aktivierte ihr Talent,
fühlte jene erregende Vibration ihrer Macht, einen Adrenalinstoß, wie ihn ein normaler Nahkampf niemals erzeugen konnte.
Nun wurde die Aura des Itor-Agenten sichtbar, sein Schutzschild flammte auf und verschwand wieder, von Faiths mentaler Energie verscheucht. Während ihr Puls wie rasend pochte, suchte sie die Schwachstelle des Mannes und fand sie in seinem Bauch. Sofort durchbohrte sie seinen Körper, ihre Geisteskraft umschlang sein Herz und zerquetschte es.
Erschrocken öffnete er den Mund und presste eine Hand auf seine Brust. Der Helikopter schwang sich nach oben, mit einer vehementen Drehung, die Faith gegen das Seitenfenster warf.
»Scheiße, tut mir leid«, entschuldigte sich Wyatt. »He, wir haben’s geschafft!«
Kugeln bohrten Löcher in die Außenhaut des Hubschraubers, beißender Treibstoffgestank füllte das Cockpit.
»Dreckskerle!« Wyatt zeigte den Männern auf der Startbahn den Mittelfinger. Dann ließ er einen Frachtcontainer auf ihre Köpfe fallen, und die Schüsse verstummten.
Mit einem Lächeln auf dem Gesicht flog er davon.
Faith stieß einen langgezogenen Seufzer maßloser Erleichterung aus. Die Augen geschlossen, sank sie in ihren Sitz zurück. Der Adrenalinrausch hatte sie geschwächt, und sie zitterte so heftig, dass sie die Finger in ihre Schenkel bohren musste.
»Bist du okay?« Wyatts tiefe Stimme beruhigte ihre Nerven, und sie wusste, dass er damit nicht ihre Gesundheit
meinte. Zumindest nicht die physische. Sie hatte einen Mann getötet, den sie fast zwanzig Jahre lang gekannt – den sie geliebt hatte.
Einen Menschen, der das personifizierte Böse geworden war.
Das ließ sich nicht bestreiten. Jetzt aber trauerte sie um den Jungen, der Sean früher gewesen war, aber erstaunlicherweise bedauerte sie nicht, was sie dem erwachsenen, völlig veränderten Mann angetan hatte. Sie öffnete die Augen und betrachtete Wyatts markantes Profil, sein intelligentes Gesicht, den wunderbaren Mund.
So groß und stark war er, und seine bezwingende Ausstrahlung schien das Cockpit förmlich zu sprengen. Ganz eindeutig, er zählte zu den guten Jungs, einer der seltenen Männer, bei denen einem das Wort »Held« einfiel.
Und vorerst gehörte er ihr.
»Ja, ich bin okay«, antwortete sie. »Wirklich.«
HALEY BEOBACHTETE WIEDER die Satellitenschleife und hoffte diesmal auf ein anderes Resultat. Aber sooft sie den Hurrikan auch über den Bildschirm rasen sah – es änderte sich nichts.
In der ACRO-Wetterstation herrschte eine seltsame Atmosphäre, eine Kombination aus Anspannung und Aufregung. Nur Meteorologen konnten angesichts der zerstörerischen Kraft eines Hurrikans noch so etwas wie Begeisterung empfinden.
Das galt natürlich auch für Remy, nur war das bei ihm etwas anderes. In diesem Moment versuchte er auf
der Beobachtungsstation eine Kaltfront heranzuholen, um den Hurrikan von der Küste abzulenken. Bisher ohne Erfolg. Das Bermuda High war zu stark und wehrte die Kaltfront ab, obwohl Remy sein Bestes tat.
»Haley?« Jeremy schwenkte seine Hand vor ihrem Gesicht. »Jetzt haben wir die neuesten Prognosen.«
Erschöpft rieb sie sich die Augen und wollte gar nicht hinschauen. Und als sie sich dazu zwang, wünschte sie auch schon, sie hätte es nicht getan. Schweren Herzens ging sie in ihr Büro und rief Dev an.
»Erzählen Sie mir gute Neuigkeiten, Haley«, sagte er in seinem üblichen geschäftsmäßigen Ton.
»Wenn ich das bloß könnte …«
Daraufhin entstand ein langes Schweigen. »Wie sieht’s aus?«
»Hurrikan Lily hat volle Kraft erreicht, und er stärkt sich selbst.«
»Also ist er auch ohne die
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