Geliebte des Blitzes
am Boden liegen lassen. Nackt war sie durch den Flur zu ihrer Tür gelaufen. Die Wachtposten, am Treppenabsatz postiert, hatten sie angestarrt, doch das kümmerte sie nicht.
O Scheiße.
In letzter Zeit hatte sie eine ganze Menge vermasselt. Seit der Begegnung mit Wyatt auf der Bohrinsel fand sie nicht mehr zu ihrer gewohnten professionellen Art. Im Helikopter hatte sie ihre Kontrolle verloren. Und jetzt hatte sie ihm auch noch erlaubt, das Mal ihrer Schande zu betrachten.
Sie tastete über die dünne weiße Linie, die ihren Hals umgab – jene Narbe, die nicht einmal Sean gesehen hatte.
Um Himmels willen, wie albern, so ein Aufhebens wegen einer Narbe zu machen, wenn das Leben ihrer Schwester auf dem Spiel stand.
Egoistisches Biest.
Sie musste nachschauen, ob sich die Platine und das Handy, das Libertys Entführer ihr geschickt hatten, immer noch im Safe befanden. In dieser Nacht wollte sie die Kidnapper anrufen und ihnen mitteilen, die »Ware« sei in ihrem Besitz und sie brauche weitere Instruktionen.
Hoffentlich würde der Alptraum am Wochenende ein Ende nehmen.
Eine Faust hämmerte gegen ihre Tür, und sie zuckte zusammen. »Mach auf, Faith.«
»Lass mich in Ruhe, Wyatt«, seufzte sie. Doch sie kannte ihn gut genug und wusste, er würde nichts dergleichen tun.
Hastig nahm sie einen anderen Bademantel aus dem Schrank – dieser zwielichtige ML musste den gesamten Westflügel wie ein Hotel ausgestattet haben. Statt den Gürtel um die Taille zu schlingen, wickelte sie ihn um ihren Hals. Zweifellos sah sie lächerlich aus. Doch das störte sie nicht.
»Sicher weißt du, dass ein Türschloss mich nicht aufhalten wird«, sagte Wyatt in sanftem Ton.
Erschöpft sank sie auf das Bett. »Deshalb habe ich die Tür nicht versperrt.«
»Oh.« Nur mit Shorts bekleidet, kam er herein. Auf seiner Haut glänzten Wassertropfen. Offenbar hatte er sich erst gar nicht die Mühe gemacht sich abzutrocknen.
Die Matratze sackte nach unten, als er sich neben Faith setzte.
»Darüber will ich nicht reden.«
»Dann rede ich.« Einen Finger unter ihrem Kinn, drehte er ihr Gesicht zu sich. »Dein Hals wurde aufgeschlitzt. Und das hatte irgendwas mit Sean zu tun.«
»Da hast du Recht.«
Sein Blick hielt ihren fest, während er den Gürtel des Bademantels langsam entfernte. Die Hände im Schoß geballt, ließ sie ihn gewähren – zu müde für neue Kämpfe. Der Gürtel fiel zu Boden.
Erst jetzt musterte Wyatt ihren Hals. Intuitiv zog sie die Schultern hoch, um die Narbe zu verbergen. Aber seine Finger streichelten ihren Nacken so sanft,
dass sie sich allmählich entspannte. »Ein Draht«, murmelte er. »Eine Garrotte. Hat Sean dich zu töten versucht? «
»Nein, einer seiner Männer.« Sie zog den Bademantel etwas enger über der Brust zusammen. »Damals waren Seans Team und ich in Paris – und wir hatten es auf dieselbe Beute abgesehen.«
So deutlich erinnerte sie sich daran – das war ihr einziger ständig wiederkehrender Alptraum, der nicht mit ihrer Schwester oder ihren Eltern zusammenhing.
»Kurz davor hatte ich Sean in seinem Hotel getroffen. Er schwor mir, er würde sich nicht in meine Angelegenheiten einmischen. Niemals hatte er mir einen Grund gegeben, an seinem Wort zu zweifeln. Und so verließ ich mich auf sein Versprechen.« Gott, was war sie dumm. Warum erzählte sie Wyatt das bloß alles? Er würde sie für eine Vollidiotin halten. Insbesondere nach dem Gespräch über Sean im Hubschrauber. »Endlich fand ich das, wohinter wir her waren, ein vergoldetes Knochenfragment, gestohlen aus dem Grab eines spanischen Mönchs. Ich habe es in den Katakomben unter der Stadt gefunden und dachte, ich wäre vorsichtig gewesen. Aber …«
»Du hast Sean vertraut.«
»Ja.« Die Augen geschlossen, holte sie tief Atem, bevor sie weitersprach. »Zwei seiner Männer lauerten mir auf. Den einen tötete ich, doch der andere – Marco – gewann die Oberhand. Sicher hätte er mich ermordet, wäre es mir nicht gelungen, den Dolch aus meinem Stiefel zu ziehen. Trotzdem entkam er mit dem Kunstwerk. « Betrübt rieb sie ihren Hals, der manchmal immer
noch schmerzte. »Der Draht hatte sich ziemlich tief in meine Drosselvene gegraben. Nur mit knapper Not schaffte ich es in ein Krankenhaus.«
»Und Sean?«
»Er schickte mir Blumen. Auf der beiliegenden Karte stand, Marco hätte gar keinen Auftrag gehabt mich zu töten, und sei bestraft worden. Deshalb ist er mir wohl an jenem Abend, als ich dich kennenlernte, in die Bar gefolgt.
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