Geliebte des Blitzes
ehe er am Tisch Platz nahm.
Auch Faith setzte sich. Schweigend aßen sie. Seit ihrer letzten Mahlzeit waren vierundzwanzig Stunden verstrichen. Wyatt hatte schon vor Jahren gelernt, Hunger und Schmerzen zu ignorieren, aber jetzt, da er ein bisschen entspannen konnte, tat er seinem unbändigen Appetit keinen Zwang an.
Zufrieden und gesättigt lehnte er sich zurück und beobachtete, wie Faith ihre letzten Bissen verspeiste.
»Oh, das war köstlich«, seufzte sie. »Ich glaube, ich brauche auch einen Koch.«
»Kannst du nicht kochen?«
»Kein bisschen. Dafür habe ich mich nie interessiert. ML muss steinreich sein.«
»Nun, sagen wir so, es geht ihm nicht schlecht. Er hat echt was drauf, und mit seiner Hilfe werden wir unser Ziel erreichen.«
»Sehr gut.«
Er bemerkte, dass sie wieder ein Halsband trug. »Wo genau müssen wir hin?«
Eine Zeit lang spielte sie mit ihrer Bierflasche und stellte sie dann entschlossen auf den Tisch. Sie zögerte. »Vorhin habe ich mit einem der Männer telefoniert, die Liberty festhalten. Ich soll nach Belfast kommen. Wenn ich da bin, muss ich sie sofort wieder anrufen.«
Wortlos nickte er, trank seine Bierflasche leer und versuchte das aufkommende Gefühl zu verdrängen, die Sache würde kein gutes Ende nehmen.
»Wyatt?«
»Ja?«
»Was du von deiner Familie erzählt hast, dass es da Probleme gab. Stehst du denn noch in Kontakt mit ihnen?«
»Mittlerweile sind sie alle tot. Besonders nahe standen wir uns nie. Sie waren es, die mich in die Irrenanstalt brachten«, fügte er leise hinzu und merkte, wie fest er die Bierflasche umklammerte. Irritiert stellte er sie auf den Tisch, bewegte seine Finger und wünschte, das Gespräch wäre beendet. »Sie waren nicht speziell begabt, alles Typen aus dem Ölgeschäft. Und sie glaubten, meine Telekinese-Fähigkeiten würden mit einer Psychose zusammenhängen, wie sie für Teenager typisch ist. Einer der Ärzte versprach meinem Vater, davon würden sie mich befreien. Natürlich taten sie ihr Bestes.«
»Diese Therapie muss schrecklich gewesen sein«, meinte Faith und sank auf den Stuhl neben seinem. Das fand sie besser, als ihm gegenüberzusitzen.
Bevor er weitersprach, schaute er sie eindringlich an. »Auf dieser Welt gibt es viele Verrückte. Doch das bedeutet noch lange nicht, dass man sie wegsperren muss.
Die meisten sind nicht gewalttätig. Und die wenigen, die es sind, verletzen nicht andere, sondern eher sich selber, weil sie sich für Freaks halten. Ich kenne viele Agenten, die ebenfalls von sich glauben, dass sie bis zu einem gewissen Grad an geistiger Umnachtung leiden. Aber ohne sie wäre die Welt ein ziemlich unsicherer Ort.«
Sie nickte. »Trotzdem könnten einige dem Rest der Welt schaden, und deshalb muss man sie im Auge behalten – und ihnen helfen.«
Unwillkürlich lachte er, denn das hatte er immer wieder von den Seelenklempnern gehört.
Da Ihr Junge ein ernsthaftes mentales Problem hat, müssen wir ihn im Auge behalten, Sir. Man sollte die Öffentlichkeit vor ihm schützen.
»Als könntest du keinen verdammten Schaden anrichten, was, Faith?«
»Jetzt habe ich dich wieder geärgert.«
»Mach dir deshalb keine Sorgen. Was du sagtest, hat man mir schon tausendmal einzureden versucht. Jeder Mensch mit Super-Fähigkeiten zahlt einen hohen Preis für sein Talent. Manchmal scheint es sich gar nicht zu lohnen.« Er dachte an seine erste Begegnung mit Remy, der damals, vor vielen Monaten, einfach nur ein Mann gewesen war, den ACRO hatte rekrutieren wollen. Remy hatte überlegt, ob er sterben oder weiterleben sollte. Denn er erkannte die Gefahr seiner Gabe, sollte sie jemals in die falschen Hände geraten. Wyatt hatte ihm erklärt: »Für dich ist es noch nicht an der Zeit.« Und er erinnerte sich genau, wie Remy entgegnet hatte: »Und wie zum Teufel soll ich den richtigen Zeitpunkt erkennen? «
Du wirst ihn wissen, hatte Wyatt versichert.
Alle Agenten standen in irgendeinem Stadium der Karriere vor dieser Entscheidung – manche sogar öfter. In gewissen Situationen sahen sie kaum eine andere Möglichkeit, als zum Wohl der Welt aus dem Leben zu scheiden.
Beim Militär war das nichts Neues. Da fassten die Spezialagenten sehr oft solche Entschlüsse und stellten sich vor, was geschehen würde, wenn der Feind sie gefangen nähme.
Hätte Remy damals die falsche Entscheidung getroffen, könnte er ihnen jetzt nicht gegen den gewaltigen Hurrikan helfen, der New City bedrohte. Also behielt Wyatt Recht.
Und jetzt war er
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