Geliebte des Blitzes
Nun würde er seine zerstörten Verteidigungsbastionen wieder aufbauen. Und sie musste entscheiden, ob sie das zulassen oder ihn daran hindern und das Band zwischen ihnen stärken sollte.
Eine kluge Agentin würde Letzteres tun. Wyatts Vertrauen zu festigen, würde sich vorteilhaft auf ihre Mission auswirken. Aber in persönlicher Hinsicht wäre es eine Katastrophe. Schon jetzt spürte sie die Gefahr, sie könnte sich in ihn verlieben, und es fehlte ohnehin nicht mehr viel und sie wäre so weit.
Lautlos fluchte sie und verdrängte die Gedanken an Wyatt. Sie musste einen klaren Kopf bewahren, alles in die richtige Perspektive rücken. Aus reiner Gewohnheit wanderte sie in dem großen Haus umher, prägte sich ein, wo sich die Ausgänge befanden, die Telefone, welche Räume abgeschlossen und an welchen Stellen die Überwachungskameras installiert waren.
In der Küche traf sie auf ML. Nur mit Shorts bekleidet, musterte er den geöffneten Kühlschrank. Aus seinem Mund hing eine Zigarre.
»Hi, Faith«, grüßte er, ohne sie anzuschauen. »Wollen Sie ein Bier?«
»Nein, danke. Aber wenn Sie eine Cola hätten.«
Er warf ihr eine Coladose zu, schloss den Kühlschrank und lehnte sich dagegen, die Arme vor der Brust verschränkt, die Fußknöchel gekreuzt. »Haben Sie alles, was Sie für die Nacht brauchen?«
»O ja, das Zimmer ist sehr komfortabel. Vielen Dank.«
Er beobachtete sie, während er an seiner Zigarre sog und den Rauch in die Luft blies. »Und Wyatt?«
»Auch alles bestens, denke ich.«
»Ein wundervoller Freund, ein ausgezeichneter Mann.« In seiner Stimme schwang ein warnender Unterton mit, nicht allzu subtil. Verletzen Sie meinen Kumpel nicht, sonst kriegen Sie’s mit mir zu tun.
»Ja, das ist er.« Sie wandte sich zum Gehen. »Danke für den Drink.«
»Einmal hat er mein Leben gerettet«, fügte ML ganz ruhig hinzu, und sie blieb prompt stehen. »Eine dumme Geschichte war das, ich hab die falschen Leute getroffen, und auf der falschen Yacht. Ich hatte keine Ahnung,
dass ACRO das Boot im Visier hatte. Oder dass Piraten es darauf abgesehen hatten. Schneller als ein Sommergewitter losbricht, ging die Yacht unter. Plötzlich war Wyatt da, zusammen mit ein paar Wahnsinnstypen aus der Spezialtalent-Liga, und zog mich aus dem Meer. Überall flogen Kugeln herum, das Wasser brannte vom entzündeten Treibstoff. Wäre er schlau gewesen, hätte er seinen Arsch in Sicherheit gebracht und mich ertrinken lassen. Aber nein, er fing sich eine Kugel ein und zerrte meinen fast leblosen Hintern aus den Wellen. Später bekam er deshalb Schwierigkeiten. Sein Boss meinte, er wäre ein unnötiges Risiko eingegangen. «
So wie auf der Plattform, als er den Taucher gerettet hat, dachte Faith. Letztlich hatte jener Entschluss zur Konfrontation mit Sean und zur Gefangenschaft in der Folterkammer geführt. Nein, Wyatt war keiner, der unschuldige Leute sterben ließ, wenn er was dagegen unternehmen konnte – ebenso wenig einer, der einen Mörder ungestraft davonkommen ließ.
Der Zwischenfall mit seinem Vater hatte keinen rechten Sinn ergeben bei dem, woran er sich erinnerte. Und je länger sie darüber nachdachte, desto klarer erkannte sie, dass da irgendwas nicht stimmte. Derselbe Wyatt, der ML und den Taucher gerettet und dabei sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt hatte, sollte vor einem Mörder davongelaufen sein? Wohl kaum. Schon gar nicht, wenn die Tat direkt vor seinen Augen verübt worden war.
»Warum erzählen Sie mir das alles, ML?«
»Ich denke, Sie wissen warum.« ML schuldete Wyatt sein Leben. Dafür wollte er sich revanchieren, um jeden
Preis. Schon wieder die Message: Tun Sie meinem Kumpel nichts an. Was für ein guter Freund.
»Gewiss weiß er Ihre Loyalität zu schätzen. Gute Nacht, ML.«
Voller Ungeduld, ihre Theorie unter Beweis zu stellen, eilte sie auf ihr Zimmer. Wyatt lag immer noch auf dem Bett, einen Arm über den Augen.
»Geh weg, Faith.«
»So was funktioniert bei mir genauso wenig wie bei dir eine verschlossene Tür.« Sie setzte sich auf die Bettkante und stellte den Drink auf den Nachttisch. »Durstig? Ich hab dir eine Cola mitgebracht.«
Da nahm er den Arm von seinen Augen und starrte sie an. »Was willst du?«
»Ich möchte, dass du dich nochmal erinnerst. Weil ich glaube, da fehlt irgendwas.«
Heiseres Gelächter erschütterte seinen Körper. »Wie ein verdammter Feigling bin ich vor den Morden an meinem Bruder und Mom weggerannt. Was mir fehlt, sind echte Eier.«
»Dafür bist du
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