Geliebte des Blitzes
chaotisch. Ein Wunder, dass du deine Kräfte überhaupt kontrollieren kannst.« Bevor sie ihre Entdeckung erwähnte, räusperte sie sich. »Jedenfalls bist du ein Biokinetiker. Da gibt es keinen Zweifel.«
WYATT SEUFZTE TIEF AUF, während sein Gehirn die Lawine an neuer Intelligenz zu absorbieren suchte, die Faith ausgelöst hatte. Aus einem ersten Impuls heraus wollte er deren Existenz bestreiten oder zumindest infrage stellen.
Aber – verdammt, in seinen beklemmenden Erinnerungen hatte er die Wahrheit gesehen. Und alles, was Faith sagte, machte durchaus Sinn.
Trotzdem war die Erleichterung, die er empfand, weil er endlich über die Ereignisse in Masons Todesnacht Bescheid wusste, nur von kurzer Dauer. »Ich hätte ihn töten können, Faith, meinen eigenen Vater. Und wenn ich ihm auch nicht nahestand – Scheiße, das bedeutet, dass ich jegliche Kontrolle verloren hatte.«
»Daran wärst du nicht schuld gewesen, Wyatt. Was du tatest, wusstest du nicht. Oder wozu du fähig warst.«
»Aber ich rannte davon.«
»Sonst hätte dein Vater dich einsperren lassen, weil du ihn ermorden wolltest. Also bist du nicht aus Feigheit geflohen, sondern aus reinem Selbsterhaltungstrieb. «
»Damit habe ich nur bewiesen, dass er mit allem Recht hatte, was er über mich behauptet hat. Deshalb brachte er mich ja in die Psychiatrie – weil ich mich nicht beherrschen konnte.« Frustriert strich er sich durchs Haar.
»Bedenk doch – als du jünger warst, fiel es dir wahrscheinlich schwer, deine Telekinese unter Kontrolle zu halten. Inzwischen hast du’s gelernt. Du kannst das mit der Biokinese genauso lernen.«
»Sei ehrlich, Faith, was heißt das, wie viel muss ich noch lernen?«
Mitfühlend seufzte sie, schlang ihre Finger in seine, und die Schieflage in seinem Gehirn wurde sofort zurechtgerückt. Er ahnte, dass dieses ihm so vertraute Gefühl von Chaos im Kopf ihn immer wieder peinigen würde, solange er nicht lernte, seine Kräfte zu kombinieren.
»Eine ganze Menge. Du besitzt ziemlich ausgeprägte Talente. Und da du die Biokinese so lange verleugnet hast, kämpfen deine Gaben natürlich gegeneinander, statt sich zu verbünden. Was du brauchst ist Übung und Geduld.«
»Und bis ich alles auf die Reihe kriege, bin ich wie eine Bombe, die gleich hochzugehen droht. So wie eh und je.«
»Du hast dich im Griff, Wyatt. Sogar sehr gut. Und bis du lernst, deine Kräfte gezielt einzusetzen, gefährdest du dich selbst am meisten.«
Ja, das hatte er kapiert. »Hängt der rasante Sex mit all dem zusammen?«
»Ja, und das erklärt ziemlich viel. Zum Beispiel, warum ich mich an den Sex mit dir erinnere. Da muss meine eigene Biokinese wie ein Schild funktionieren, der mein Gedächtnis abschirmt.«
»Wieso wusste ich früher, in der Kindheit, nichts von meiner Biokinese?«
»Ich nehme an, du hast sie unterdrückt. Nun wird sie von einem Wall umgeben. Im Unterbewusstsein hast du vermutlich eine Barriere nach der anderen errichtet, um deine Biokinese zu verbergen. Ich glaube, dir haben Sex und Telekinese gereicht, mit mehr konntest du nicht umgehen. Deshalb hat dein Gehirn die Biokinese ausgeschaltet. Hast du die Telekinese immer unter Kontrolle gehabt?«
»Meistens. Nur früher gelang es mir nicht immer – als ich jünger war und mein Temperament so oft mit mir durchging. Oder wenn ich verletzt wurde. Zum Glück war ich ein eher gelassenes Kind. Ich habe einfach nur
versucht die Telekinese zu vertuschen, und das war schon schwierig genug. Wenn meine Eltern über das hier Bescheid gewusst hätten …« Wyatt schüttelte den Kopf.
» Das hier war der Grund, weshalb sie Liberty in die Psychiatrie gesteckt haben.«
Er griff nach der Coladose, riss den Verschluss auf und hasste, wie seine Hand dabei zitterte. »Wie haben deine Eltern dir das erklärt?«
Obwohl Faith die Achseln zuckte, spürte er, dass dieses Thema ihre Seele immer noch belastete. »Na, sie taten so als wäre alles wie immer. Sie haben behauptet, Liberty sei krank und wäre in einer ganz normalen Klinik, damit die Ärzte sie dort wieder gesund machen. Damals war ich noch zu klein, um zu ahnen, was wirklich los war. Und als meine mentalen Energien drei Jahre später auftraten, riet mir eine innere Stimme, ich sollte es geheim halten. Nach dem Tod meiner Eltern fand ich die Wahrheit heraus und landete in dem Institut, in das Liberty gebracht worden war.«
Mit einer Brise drang das Meeresrauschen durch die offene Balkontür ins Zimmer. Wyatt trank die
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