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Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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ja, was dann? Was ist, wenn ich dann mitten in einem Berg lande? Ich weiß nicht, wie diese Sache ... funktioniert.«
    Eine Krähe schrie; Miri sah hoch. Koni hockte auf einer Stromleitung. Jedenfalls glaubte sie, dass es Koni war. Aus dieser Entfernung konnte sie die Augen des Vogels nicht erkennen.
    Dean schien weder die Krähe zu bemerken, noch achtete er auf irgendetwas anderes. Seine Miene wirkte nicht mehr aufgeregt; Miri sah, wie eine andere Art von Intensität sein Gesicht überzog, scharf und aufmerksam. Es war eine interessante Verwandlung. Dean war härter und weit eloquenter geworden als früher; seine Härte wurde zwar von seinem lausbübischen Charme gemildert, aber trotzdem: Er hatte da eine Schärfe an sich, die sie früher nicht an ihm gespürt hatte. Nicht vor dieser Nacht, in der er den Mann getötet hatte, der sie zuvor erschossen hatte.
    Natürlich waren zwanzig Jahre eine lange Zeit, in der viel geschehen war. Und in der viele andere Dinge hatten schiefgehen können. Außerdem glaubte sie auch nicht, dass sein Job, diese Geschichte bei Dirk & Steele, ein Zuckerschlecken war, trotz all der Privilegien. Wenigstens konnte er aber seine Gabe dabei einsetzen und war von anderen umgeben, die offenbar ebenso ungewöhnlich waren wie er, wenn nicht sogar noch mehr.
    Aber trotzdem gefiel ihr das alles nicht, und zwar nicht nur deshalb, weil es überhaupt diese Organisation gab. Irgendwie behagte Miri der Gedanke an Dirk & Steele nicht. Es lag gar nicht an den Menschen, die sie kennengelernt hatte, sondern es war etwas anderes, etwas tiefer Liegendes, ein Gefühl, das sie noch nicht benennen konnte. Sie wusste nur, dass es ein sehr starkes Gefühl war, das ihr Unbehagen bereitete. Es löste aber weder Furcht noch Ärger aus.
    Misstrauen.
    Miri lauschte diesem Wort nach, während sie Dean zu den Stufen des Tempels folgte. Sie traten durch den Eingang in einen kleinen Hof, der von Gingkobäumen eingefasst war. Misstrauen war zwar ein unschönes Wort, aber sie befand sich auch in einer hässlichen Lage. Und obwohl sie Dean vertraute und vielleicht auch seinen Freunden, nahm sie alles andere keineswegs für selbstverständlich. Dirk & Steele mochte für all diese Männer ein Zuhause sein, aber als Außenstehende und als ein relativ normaler Mensch ohne übernatürliche Neigungen musste sie die Organisation einfach in Frage stellen. Sie rekrutierte Leute, nur um ihre Fähigkeiten für Gutes einzusetzen? Toll. Aber brauchten sie dafür Bunker mitten in Metropolen, die mit Waffen, Bargeld und falschen Dokumenten ausgestattet waren?
    Das war schon interessant.
    Im Hof hielten sich noch andere Leute auf. Die meisten standen oder knieten vor einer schattigen Nische, in der ein goldener Buddha zwischen Räucherkerzen und Blumen hockte. Eine alte Frau drückte die Stirn dreimal auf die Erde vor dem Altar und murmelte leise vor sich hin.
    Dean ging langsam an der Seite des Tempels entlang und untersuchte die Steine, das Holz und die Malereien, als er plötzlich vor einem Gitter im Boden am Rand des Hofes stehen blieb. Miri sah hinunter. Unter dem Gitter war es dunkel. Es schien sich um die Kanalisation zu handeln.
    »Nein«, sagte sie, als sie Deans Miene bemerkte. »Du kannst da nicht runter.«
    »Da ist eine Leiter, siehst du?«
    »Ich sehe, dass du verhaftet wirst, weil du ein Gitter mitten in einem buddhistischen Tempel losreißt und dort in die Kanalisation hinabsteigst. Ach was, vergiss die Polizei! Du wirst dir vermutlich irgendwelche schrecklichen Krankheiten einfangen und sterben.«
    »Ich glaube nicht, dass da unten die Kanalisation entlangführt, Miri. Es stinkt gar nicht.«
    Er hockte sich hin, schob die Finger durch das Gitter und zog daran. Miri sah sich um. Einige Leute beobachteten sie zwar, aber bis jetzt gab es keine Probleme.
    Dann hob Dean das Gitter an. Ein entsetzliches Quietschen, das wie der Schrei eines Tieres klang, hallte durch den Hof. Einige Frauen schrien leise auf und schlugen sich die Hände vor die Brust. Miri hätte Lust gehabt, dasselbe zu tun. Und dann auch Dean mit einem Tritt in das Loch zu befördern.
    »Kommst du?« Er holte eine Taschenlampe aus dem kleinen Rucksack, den Ren für ihn gepackt hatte. Die Lampe hatte ein buntes, elastisches Band, mit dem er sie um seinen Kopf binden konnte. Er schob sie sich auf die Stirn und schaltete sie ein.
    »Ich komme«, erwiderte Miri. »Aber wenn etwas passiert ...«
    »Ja, ja. Tod, Schmerz, Vernichtung. Wahrscheinlich irgendeine besonders

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