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Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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als würden Hände nach ihrem Hals greifen, ihr Rückgrat hinaufgleiten, bereit, es zu packen und zu brechen. Erschaudernd rieb sie sich die Arme.
    Dean hatte ihr den Rücken zugekehrt, blieb jetzt jedoch plötzlich stehen und sah sie an. Sie wusste nicht, was er sah, aber er nahm sie in die Arme, drückte sie an sich und vertrieb die dunklen Gestalten aus ihrer Imagination.
    »Ich habe ganz vergessen, dass du Dunkelheit nicht magst«, sagte er.
    »Mir geht’s gut«, protestierte Miri. »Wirklich.«
    Das stimmte auch, ihr ging es wirklich gut, wenn er sie so hielt wie jetzt und sie sich daran erinnerte, wie er damals, vor so langer Zeit, Wache gehalten hatte, um die Schatten in ihrem Verstand zu bannen. Schatten, die manchmal so real gewirkt hatten, dass sie glaubte, sie berühren zu können. Schatten, die bei bestimmten Gelegenheiten ein Gewicht und eine Gestalt gehabt zu haben schienen, eine Präsenz. Jedenfalls erinnerte sie sich so daran. Als hätte sie selbst einmal in der Dunkelheit geruht, nicht nur im Schlaf, sondern als Leiche, in einer Gruft. Und dass dort, an diesem vergessenen Ort, dieses Verlies immer noch auf sie wartete.
    Sie gingen weiter, aber Dean legte Miris Hand um seine Taille, was sie ein wenig tröstete, als sie immer weiter durch den endlosen Tunnel schritten, der auf und ab führte, Biegungen machte, immer niedriger wurde, bis sie kriechen mussten. Dean jedoch behauptete beharrlich, der Stein sei nahe, sie wären schon fast dort; so lange, bis Miri die Füße wehtaten und sie kurz davor war, um eine Pause zu bitten, um ein Nickerchen, egal was, Hauptsache, es gab eine Linderung. Sie war zwar an anstrengende Ausgrabungen gewöhnt, auch an schwierigen Stellen. Aber geduckt durch mehrere Schichten Schmutz zu kriechen, das sprach andere Muskeln an, als wenn man grub, und sie war für eine so lange Strecke einfach nicht in Form.
    So stand sie kurz davor, aufzugeben und den Weg zurückzugehen, als sich der Tunnel abrupt verbreiterte. Dean blieb stehen und legte Miri einen Finger auf die Lippen. Sie hielt den Atem an und lauschte.
    Irgendwo lief Wasser. Und dann hörte sie noch etwas, ein gedämpftes Geräusch.
    Es klang wie ein Stöhnen.

13
    Dean schaltete ihre Lampen aus. Die Dunkelheit schien sie zu verschlucken. Es war so finster, dass Miri nicht einmal seine Hand vor ihrem Gesicht sehen konnte. Sie schlichen weiter, glitten mit den Händen an der Wand entlang, langsam, so leise wie möglich, und lauschten angestrengt. Aber sie hörten nur das Tröpfeln von Wasser. Wer auch immer dieses andere Geräusch von sich gegeben hatte, er war jetzt stumm, obwohl Dean glaubte, Weihrauch zu riechen. Ein winziger Lichtfleck tauchte vor ihnen auf, hell genug, dass Dean Miri neben sich sehen konnte.
    Dean hörte ein Schlurfen in dem Gang hinter ihnen. Miri blieb reglos stehen, atmete langsam aus. Ihr warmer Atem strich über sein Gesicht. Vorsichtig und lautlos griff er nach seiner Waffe. Das Gewicht der Pistole fühlte sich gut an. Es fokussierte ihn, hinderte ihn daran, seinen Schuldgefühlen nachzugeben, weil er so überhastet und leichtsinnig gewesen war, Miri mit hierher zu nehmen, ohne angemessene Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Zum Beispiel, mit einer Armee hier herunterzusteigen.
    Dann  dachte er wieder an die Jade. Sein Herz schien anzuschwellen, war wie von Musik erfüllt. Und etwas zog ihn weiter. Es war dieses Gefühl, das ihn begleitete, seit er das Artefakt in dem sicheren Haus in Taipeh berührt hatte. Solange sie in Taiwan gewesen waren, hatte er es ignorieren können; es war wie ein ferner Gedanke in seinem Kopf gewesen, aber seit ihrer Landung in Hongkong ...
    Jedenfalls hatte er eine so starke Reaktion nicht erwartet, und aufgrund seiner schwachen Vision bei diesem ersten Kontakt vielleicht mit einer oder zwei Erinnerungen gerechnet. Aber nicht - so wie jetzt - mit den Erinnerungen eines ganzen Lebens, eine Erfahrung, die zudem äußerst schmerzhaft war.
    Zerschnitten. Gebrochen. Brechend. Beobachtend. Fühlend.
    Die Frau und der Mann hatten sich dieser primitiven Operation selbst freiwillig unterzogen. Trotzdem voller Angst. So viel Angst. Sie hatten die Jade in den Händen gehalten, den Stein betastet, bevor sie ihn in ihre Körper hatten einpflanzen lassen. Sie hatten nach seiner Magie gesucht, denn er war magisch. Es gab kein anderes Wort dafür. Vielleicht war das, was Dean tat, wissenschaftlich zu erklären, vielleicht waren es auf merkwürdige Weise miteinander verbundene

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