Geliebte des Feuers
andere Möglichkeiten, wie er ihnen folgen konnte, Möglichkeiten, die eine körperliche Anwesenheit nicht unbedingt voraussetzten.
Miri, Koni und Dean flogen am Nachmittag mit einer Maschine von Air China nach Chengdu. Ihre Waffen mussten sie zurücklassen. Also waren sie jetzt nicht mehr bewaffnet, was Miri aber ganz recht war. Kugeln hatten sich bislang als wenig nützlich herausgestellt und beschworen förmlich die Chance herauf, dass ein Unschuldiger verletzt werden könnte.
Chengdu war nicht nur die Hauptstadt der Provinz Sichuan, sondern auch eine Industriestadt, was nicht zu übersehen war. Miri wusste, dass sich die Haupteinnahmequellen dieser Stadt über Maschinenbau und Chemikalien bis zu Agrikultur erstreckten. Doch der Himmel über der Stadt war so vernebelt, dass sie glaubte, die Produktion von Nahrungsmitteln wäre hinter den anderen Produktionszweigen zurückgetreten.
Koni verließ sie, nachdem sie die großen Schiebetüren des Flughafens durchschritten hatten. Er warf Dean eine kleine Segeltuchtasche zu, beugte sich herunter und umarmte Miri - zu ihrer Überraschung.
»Ich bin in der Nähe«, sagte er ruhig. »Mach dir keine Sorgen.«
»Das ist doch mein Text«, erklärte Dean, lächelte aber dabei. Koni schnappte sich seine Hand, umarmte ihn und hätte Miri fast zwischen sich und Dean zerquetscht.
Dann ließ er sie los und ging ohne ein weiteres Wort oder einen Blick davon. Seine tätowierten Arme schwangen an seinen Seiten, die Hände hatte er zu Fäusten geballt.
»Das ist ein Novum«, bemerkte Dean. »Normalerweise kackt er zum Zeichen seiner Zuneigung auf Windschutzscheiben. «
»Du und deine Freunde«, gab Miri zurück. Aber ihr war warm ums Herz, als sie Koni nachsah. Es war dieselbe Wärme, die sie für Ren empfand und auch für alle anderen, die sich um Dean gekümmert hatten, die ihm ein Zuhause geboten hatten, das, wie sie klar erkennen konnte, seine Welt bedeutete. Sie zweifelte nicht an seiner Liebe zu ihr, aber Dirk & Steele hatten ihm etwas gegeben, das sie ihm nicht hatte bieten können. Einen Auftrag, ein Gefühl von Nützlichkeit, einen Sinn. Und das war wundervoll.
Auch wenn sie allen nicht so ganz traute.
Ren hatte einen Wagen für sie gemietet. Der Fahrer war ein kleiner, massiger Mann. Er rauchte und ließ den Rauch aus Mund und Nase quellen. Außerdem stellte er sich mit einem englischen Namen vor: Steven. Miri vermutete, dass er einen anderen Namen benutzt hätte, wenn sie allein gewesen wäre, einen traditionelleren, aber Dean war eindeutig ein Ausländer, also wollte der Mann es dem »schlichten« Fremdling wohl mit einem ausländischen Namen leicht machen. Steven gab Dean eine Schatulle. Ein Geschenk von Ren. Darin befanden sich eine Waffe und ein Halfter.
Die Fahrt nach Jiuzhaigou dauerte zehn Stunden und führte über eine schmale, kurvige Straße durch die Berge des nördlichen und zentralen Sichuan. Wo sie hinwollten, gab es einen Flughafen, über den sie den Park weit schneller hätten erreichen können, aber Dean wollte nicht fliegen. Er wollte sich Zeit lassen, die Jade lesen und die Energielinien überprüfen, während sie reisten. Er wollte sichergehen, dass sie in die richtige Richtung fuhren, er wollte die Verbindung aufbauen und stärken. Vielleicht sogar weitere Informationen entdecken. Miri hoffte, dass es ihm gelang. Sie überlegte auch, ob sie den Stein nicht selbst lesen sollte, hielt sich jedoch zurück. Sie hatte Angst vor dem, was sie sehen würde, vor dem, was passieren könnte, und dieses Mal ließ sie sich von ihrer Furcht leiten.
Die Bergstraße war schmal, aber stark befahren, von Touristenbussen, Limousinen und ab und zu von einem Eselkarren. Steven genoss es, die Busse mitten im dichtesten Gegenverkehr zu überholen. Er spielte Mutprobe mit den anderen Verkehrsteilnehmern, was dazu führte, dass immer wieder Fahrzeuge ausweichen mussten und gefährlich dicht am Abgrund schwebten. Sie fuhren stetig höher, vorbei an den Resten uralter Mauern und Tempel, die auf Bergspitzen thronten. Weit unter ihnen verlief der Fluss, zog sich wie ein Band durch das Gelände. Dörfer schienen gefährlich in den Felsen zu hängen. Miri sah Felder, die man aus dem Berg gehauen und mit Mais, Weizen und Obstbäumen bepflanzt hatte. Es gab nur eine Wasserquelle, den Fluss. Frauen trotteten auf steilen Bergpfaden vom Fluss hinauf zu den Feldern, Kiepen auf den Schultern. Manchmal folgten ihnen Kinder, die dieselbe Last schleppten. Es waren höchstens fünf
Weitere Kostenlose Bücher