Geliebte des Feuers
Wunderbar.
»Du siehst ja entspannt aus«, sagte Koni. Seine Stimme klang eine Spur zu sanft. Miri bemerkte sein Grinsen und errötete.
»Tut mir leid«, setzte er noch hinzu, was ganz offensichtlich nicht stimmte. Dann trommelte er mit den Fingern auf der Stuhllehne, versuchte aber kein weiteres Gespräch anzufangen.
Dean öffnete die Augen. »Ich sehe nur Wasser. Einen See. Ich habe noch nie einen so blauen See gesehen. Er ist von Bäumen umringt. Ich weiß nicht, ob es Vergangenheit oder Zukunft ist.«
»Warum hast du das nicht schon früher gesehen?«
»Und warum wurde ich nur wegen einer Mumie nach Hongkong geführt? Es ergibt keinen Sinn. Ich war mir sicher, dass die Jade hier sein würde.«
»Sie könnte erst kürzlich weggebracht worden sein«, erklärte Miri. »Das wäre kein Problem für jemanden, der den Platz kannte.«
»Wenn sie weggeschafft wurde, dann nicht von Kevin und Ku-Ku. Falls Lysander wirklich Gedanken lesen kann, hätte er sofort gewusst, wo sich der zweite Stein befindet.«
»Ich kenne die Leute zwar nicht, über die ihr redet«, mischte sich Koni ein, »aber ihr dürft die Möglichkeit nicht außer Acht lassen, dass sie sich vielleicht ganz gut gegen Telepathen abschirmen können.«
»Wie sollte man das tun?«, wollte Miri wissen. Sie erinnerte sich an ihre eigene Begegnung mit dem Drachen.
»Wie kann man sich gegen jemanden schützen, der einem in den Kopf blicken und die Gedanken lesen kann?«
»Das ist bestimmt nicht leicht«, meinte Dean. »Ich kann das jedenfalls nicht.«
»Ich auch nicht«, gab Koni zu. »Aber trotzdem halte ich es nicht für klug, die Möglichkeit auszuschließen, dass es machbar ist.«
»Um Kevin brauchst du dir jedenfalls keine Sorgen mehr zu machen«, antwortete Miri. »Und Ku-Ku ...«
War vermutlich ebenfalls tot. Miri wollte nicht darüber nachgrübeln, wollte nicht daran denken, dass sie weggelaufen war, ohne auch nur den Versuch unternommen zu haben, dem Mädchen zu helfen. Alle für einen, einer für alle, keine Zweifel, kein Zögern. Natürlich zweifelte Miri nicht eine Sekunde daran, dass Ku-Ku in ihrer Lage genauso gehandelt hätte, aber an sich selbst legte sie eigentlich andere Maßstäbe an. Maßstäbe, an denen sie kläglich gescheitert war, als es darauf ankam.
Und natürlich war da noch Robert...
Dachte ich nicht, er würde mich nicht kümmern?, fragte sie sich. Aber das war eine Lüge. Sein Schicksal kümmerte sie durchaus, ein bisschen jedenfalls. Robert war gefährlich und böse, aber nicht ganz böse. Nicht ganz und gar.
»Also, dieser See«, fuhr Dean fort. »Ich fühle, wie es mich nach Westen zieht. Glaubst du, dass dies der Ort ist, den du erwähnt hast?«
»Jiuzhaigou«, antwortete Miri. »Wie du selbst gesagt hast, es ist immerhin ein Anfang.«
Koni knurrte. »Wunderschöne Gegend. Ich hab ein paar Cousins dort.«
»Du kannst ja gern ein Familientreffen anberaumen!«, fuhr Dean ihn an. »Weil ich das verdammte Gefühl habe, dass wir genau dorthin fahren.«
»Kopf hoch«, meinte Miri. »Denk daran, wie glücklich du dich schätzen kannst, ein Leben zu führen, in dem du den Anblick von Naturschönheiten mit ständiger Todes- und Vernichtungsgefahr kombinieren kannst, und das alles inklusive.«
»Sie hat recht«, gab Koni seinen Senf dazu. »Das ist eine wirklich fantastische Möglichkeit.«
Dean seufzte. Hinter ihnen schlug eine Tür zu. Ren kam an Deck gesprungen. Ihm stand das Haar zu Berge, und er trug eine abgeschnittene Jeans, sonst nichts. Seine Augen waren blutunterlaufen.
»Hattest du eine harte Nacht?«, erkundigte sich Koni.
Schweigen. Nur das klatschende Dümpeln des Bootes war zu hören, der Schrei von Möwen und in der Ferne die Schiffshörner. Miri umklammerte ihre Teetasse und ignorierte das Gefühl von glühend heißem Tee auf ihrer Haut, als Ren dastand, Dean anstarrte und dann seinen Blick von ihm losriss und auf Miri richtete. Seine Lippen waren zusammengepresst und bildeten nur einen weißen Strich in seinem Gesicht.
»Was ist?«, fragte sie unbehaglich. »Warum siehst du mich so an?«
»Ren?«, erkundigte sich Dean.
»Es tut mir leid«, sagte der Mann schließlich. »Es tut mir wirklich unendlich leid. Es war ein ... Zufall. Ich wollte nicht ... nicht lauschen.«
»Wovon redest du?«, erkundigte sich Miri. »Was zum Teufel soll das heißen?«
Dean stand auf. Der Himmel hinter ihm färbte sich geradezu golden im Morgengrauen, ein reines Licht, das von sanften Schichten Apricot, Rosa und
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