Geliebte des Feuers
schweißüberströmt, er atmete rau.
»Himmel!«, stieß er heiser hervor. »Was war das für ein Mist? Das kann keine Erinnerung sein, niemals. Wir haben so etwas nie gesehen, das ist unmöglich.«
»Vielleicht nicht«, murmelte sie und rieb sich die Brust. »Aber ich glaube, wir haben es erlebt.«
»Miri!«
»Und wenn das keine Erinnerungen aus diesem Leben sind, Dean, sondern aus einem früheren?«
Ein anderes, unmögliches Leben, ein Leben, das durch die Hände eines anderen beendet worden war.
Er wird dich ... töten, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf. Er wird dich töten, weil er es tun muss. Es sei denn, du hieltest ihn noch auf. Es sei denn, du beendetest es zuerst.
Ein schrecklicher, vollkommen aberwitziger Gedanke. Dean würde sie niemals verletzen. Niemals! Es mochte zu früh sein, ihm zu vertrauen, nach diesen zwanzig Jahren der Trennung, und es war vielleicht auch falsch, mit ganzem Herzen an ihn zu glauben, aber das tat sie dennoch. Und sie wusste, dass er für sie dasselbe empfand.
Dean stützte sich auf einen Ellbogen und öffnete den Mund, aber was er sagen wollte, wurde durch den Geruch erstickt, der plötzlich durch das Zimmer wehte.
Asche. Rauch. Und in der Nähe schrie eine Krähe. Sehr laut und schrill.
Miri und Dean sprangen aus dem Bett und rannten los.
18
Es war kühl, am nächtlichen Himmel stand keine einzige Wolke. Die Sterne waren so hell und standen so dicht, dass sie den Weg erleuchteten. Dean verstand, wie es in der Vergangenheit gewesen sein musste, bevor es Industrie und Städte gegeben hatte und die Menschen gezwungen gewesen waren, in der Nacht zu reisen. Sie waren im Licht der Sterne gereist. Er hatte das immer für Unsinn gehalten, aber hier, um ihn herum, lag ein schwacher Glanz auf der Welt.
»Wir müssen die Jade vor ihm finden«, sagte Miri. »Wenn wir sie zuerst zusammenfügen ...«
»Was dann? Wir wissen doch immer noch nicht, was dieses Ding bewirkt, Baby.«
»Es bedeutet Macht«, sagte sie. »Ich weiß vielleicht nicht, was ich mit dieser Macht anfangen soll, aber mir ist es lieber, wenn wir sie haben und nicht Lysander und dieses Ding in seinem Kopf.«
»Gut, nur weiß ich immer noch nicht, wo der Jadestein eigentlich ist. Ich könnte einer Ahnung folgen und behaupten, er befände sich in dem See, den du mir gezeigt hast, aber dafür gibt es keine Garantie. Diese Pfütze ist ziemlich groß.«
Sie zögerte. »Könntest du ... dorthin springen? Du weißt schon, mit deiner Gabe? Nur wirklich fest an diese Jade denken und es dann einfach passieren lassen?«
Eine gute Frage. Dean hatte bereits den ganzen Tag genau darüber nachgedacht und versucht sich dazu durchzuringen, es zu versuchen. Es einfach nur zu versuchen. Er wünschte, er hätte es getan. Denn jetzt standen sie unter Druck, und er konnte sich keine Fehler leisten. Er wusste nicht, was passieren würde, wenn Lysander dieses zweite Jadestück in die Klauen bekam, aber vermutlich brauchte er beide Stücke, was noch mehr Gewalt bedeutete, das Risiko von Verletzungen und Todesfällen erhöhte, und Dean hatte es satt. Er war es leid, wegzulaufen und gejagt zu werden.
Sie erreichten den Rand des Sees, ohne jemanden zu sehen, kletterten über die Mauer neben der Straße und die Böschung hinab. Dean hockte sich hin. Seine Füße versanken im Schlamm. Er legte die Hand ins Wasser und änderte seine Vision.
Die Welt um ihn herum explodierte von Licht. Überall schwebten Fäden: im Wasser, am Ufer, in der Frau neben ihm. Ein Summen erfüllte seinen Kopf, und er griff in Miris Tasche, nahm die Jade und hielt sie mit beiden Händen fest. Die Visionen überschwemmten ihn zwar, doch er schloss rasch die Vergangenheit aus und konzentrierte sich stattdessen auf das fehlende Bindeglied zwischen den Steinen, jenes Band, das existierte, wo es nicht existieren sollte. Anorganische Stoffe sonderten keine eigene Energie ab, es sei denn, Lebende waren mit ihnen in Kontakt gekommen. Und selbst diese Fährten erloschen schnell. Aber die Macht war da, in der Jade. Dean hängte sich an sie, versuchte denselben Instinkten zu folgen, die ihm erlaubt hatten, diese unerklärliche Brücke zu Miri zu schlagen.
Dräng nicht. Lass es einfach zu dir kommen. Lass die Energie fließen.
Er ließ sie in einer Art und Weise fließen, derer er sich bisher nicht für fähig gehalten hatte, wie echte Fäden, wie Flüsse oder Seen, die geteilt, durchschwommen oder verbunden werden mussten. Und er stellte fest, dass er es erneut tat,
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