Geliebte des Feuers
Brüste waren entblößt, und über ihnen erstreckten sich Worte, keilförmige rote Zeichen, die wie Schmuck zwischen ihren Brüsten hingen. Miri sah der Frau in ihr tränenüberströmtes Gesicht und bemerkte, dass sie ihren klagenden Blick auf den Mann gerichtet hatte. Die Frau sagte dann etwas zu ihm. Es klang, als flehe sie ihn an.
Miri sah, wie sich hinter ihm ein Licht bewegte. Es gab hier keinen Ort, an dem sie sich hätten verstecken können. Dean zog sie an sich und wich mit ihr bis zu einer Felswand zurück. Offenbar befanden sie sich in einer Kammer und sahen jetzt atemlos zu, wie das Licht in diese Kammer schwebte. Das Licht ruhte in einer schattigen Kugel. Es durchquerte den Ring, glitt weiter, und der Mann, der am Boden angekettet war, schrie auf, versuchte aufzustehen, schlug mit den Fäusten auf den Boden. Er wühlte in den Knochen herum und griff nach einem, der eine krumme Spitze besaß. Er war nicht von Menschenhand geschärft worden, die Spitze sah vielmehr aus wie natürlich gewachsen, obwohl Miri sich nicht vorstellen konnte, von welchem Tier ein solcher Knochen stamm en könnte. Tränen rollten dem Mann über das vor Qual verzerrte Gesicht. Seine Brust glühte.
Das Licht kam vor der Frau zum Stehen und breitete sich aus, strömte aus der Kugel wie Garn, nahm Gestalt an, bis Miri einen Mann vor sich sah. Einen Mann, der fast zu einem Skelett abgemagert war, dessen Haut aber glänzte und schimmerte wie Perlmutt.
Er verzerrte das Gesicht, als er die Frau sah. Er kämpfte, wand sich, versuchte sich mit einer Verzweiflung abzuwenden, die unangemessen schien. Er tat, als stünde sein Leben auf dem Spiel, aber ganz gleich wie sehr er sich auch wehrte, es schien doch so, als würde er nur gegen sich selbst kämpfen, gegen die Luft.
Dann aber zuckte ein Blitz über seinen Körper. Miri senkte den Blick und sah Ringe aus dunklem Licht um seine Handgelenke, die so eng wie eine zweite Haut anlagen. Sie wirkten wie Handschellen. Fesseln.
Er wird festgehalten, femand hat ihn gegen seinen Willen hergeschleppt.
Der andere Mann, ein Mensch, schrie immer noch und schwang den langen, spitzen Knochen. Die Frau rief ihm etwas zu, aber ihre Stimme klang erstickt. Miri sah, dass Dunkelheit wie Rauch um ihr Gesicht waberte, durch Augen und Mund in ihre Nase eindrang.
Sie hörte auf zu weinen, verstummte. Das Weiß ihrer Augäpfel verschwand, wich der Dunkelheit. Miri dachte an die Augen des Drachen, an den Schatten im Gold, der wie reines schwarzes Öl gewirkt hatte, und ihr Magen krampfte sich vor Furcht zusammen. Denn sie wusste, dass dies hier zu ihr gehörte, und wenn es eine Erinnerung war, dann konnte es nicht nur ein Traum ...
Plötzlich sprach die Frau. Miri verstand sie zwar immer noch nicht, aber der Klang ihrer Stimme war eiskalt, tief, ruhig, gleichförmig und bar jeden Gefühls. Der Mann vor ihr, die Lichtgestalt, riss die Augen weit auf und starrte auf den nackten Oberkörper der Liegenden, dorthin, wo die Worte zwischen ihren Brüsten plötzlich aufglühten.
Er las. Miri wusste, dass er las, denn seine Blicke glitten langsam über die Haut der Frau, und er sprach die Worte aus, melodisch, fast wie ein Lied. Sein Widerstand war zwar erloschen, aber sein Blick machte einen schrecklichen Eindruck, als wüsste er, dass etwas Fürchterliches bevorstand, und hätte einfach keine Kraft mehr, dagegen anzukämpfen.
Dann hörte er auf zu sprechen. Das Licht auf seiner Haut, das aus seinem Inneren gekommen zu sein schien, dieses Licht floss aus ihm heraus, in Fäden und Tentakeln, stieg aus seinem Mund empor, ließ einen schrumpfenden, sterbenden Körper zurück und ... drang in die Frau ein. Sie lächelte, lachte sogar. Und der Mann in Ketten begann zu heulen wie ein Wolf. Er hob den Knochen, der wie ein kurzer Spieß geformt war, und ... Miri wusste bereits, was geschehen würde, und zwar deshalb, weil sie sich erinnerte. Sie spürte einen stechenden Schmerz in ihrem Herzen und hörte zu, als die Frau, die besessene schwarzäugige Frau ein Wort aussprach. Der Mann antwortete ebenfalls mit einem Wort. Und schleuderte den Knochen.
Den Aufprall sah Miri zwar nicht, aber sie spürte ihn in ihrem Herzen. Im selben Augenblick verschwanden der Ring, der Sand, die Knochen, die Dunkelheit und der Tod. Als sie die Augen aufschlug, lag sie in dem winzigen Alkoven in dem tibetischen Dorf. Von Ren war nichts zu sehen. Vermutlich war er durch ihr Aufwachen verschwunden.
Dean bewegte sich neben ihr. Seine Haut war
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