Geliebte des Feuers
panischen Schrei durch die Luft, und Lysander lächelte. Goldenes Licht quoll aus seinen Augen, ein Gold, das mit Finsternis durchsetzt war. »Ja«, sagte er. »Ich glaube, wir haben genug gespielt.«
Im nächsten Augenblick stand Miri in Flammen.
Das Feuer begann an ihren Füßen, was ihr ein paar Sekunden Zeit ließ, genug, um zu denken: Das ist einfach nicht gerecht!, dann zuckte die Hitze über ihren Körper, überströmte sie, verbrannte ihre Kleidung, ließ sie zu Asche zerfallen. Sie öffnete den Mund, wollte schreien, aber das einzige Geräusch, das sie zustande brachte, ertönte in ihrem Kopf. Und durch das Tosen hörte sie eine Stimme. Hab keine Angst, das Feuer ist schnell. Doch das war genau das, wovor sie sich fürchtete, weil sie hören konnte, wie ihre Haut versengt wurde, obwohl sie keinerlei Schmerzen spürte. Ihr Körper schien sich aufzulösen, und schon bald würde sie nur noch ein Mädchen ohne Gesicht sein, ohne Maske, ein Mädchen aus Asche ...
Urplötzlich veränderte sich das Feuer. Es wurde zu etwas anderem, zu etwas ohne Hitze, aber dennoch sehr hell. Vielleicht Energie, vibrierende, pulsierende Energie, als würde der Herzschlag der Welt ihr Gesicht berühren. Zwischen ihren Brüsten spürte sie eine Hitze, die stärker und fürchterlicher war als die von Feuer.
Miri konnte wieder atmen, sie konnte sogar denken.
Und sich bewegen. Nur ihre Arme allerdings, und das war schon anstrengend genug, so als würde sie durch brennenden Teer kriechen. Es gelang ihr, die Hände bis zur Brust zu heben, aber das genügte auch, mehr wollte sie gar nicht. Sie presste die Fingerspitzen auf ihre Haut, stellte sich Einkerbungen vor, Worte, Zeichen, die ihr in die Haut geschnitten worden waren. Dann warf sie den Kopf zurück und schrie.
Diesmal schrie sie laut, und im selben Augenblick griffen zwei Hände ins Feuer, sie hörte ihren Namen, Dean hatte ihn gerufen! Und sie tastete mit ihrem Geist nach ihm, schickte ihren Geist aus ...
... und das Feuer erlosch, alles war verschwunden ...
Von hell zu dunkel, von heiß zu kalt; Miri schlug hustend um sich. Kräftige Arme zogen sie an einen nassen, wundervoll kühlen Körper. »Miri, bist du verletzt?«, fragte Dean. »Miri, sprich mit mir.«
»Lysander«, antwortete sie. »Wo ...?«
»Ich bin hier«, erwiderte der Drache. Miri versuchte hinzusehen, aber der Wechsel von Schatten zu Feuer hatte sie geblendet. Sie schloss die Augen und lauschte. Sie hörte, wie das Wasser ans Ufer plätscherte, das Knirschen von Felsen, raues, heftiges Atmen. Menschliche Stimmen in der Ferne, die etwas schrien. Und in der Nähe ein merkwürdiges, rhythmisches Schlagen wie von Schwingen.
Dean richtete sich auf und zog Miri mit, die in seinen Armen taumelte. Die Luft fühlte sich auf ihrer Haut kühl an, die Felsbrocken unter ihren Füßen spitz. Sie war vollkommen nackt. Ihre Kleidung war ja zu Asche verbrannt.
Miri öffnete die Augen; sie sah jetzt etwas besser, erkannte Lysander, der am Ufer des Sees stand. Alle menschlichen Eigenschaften waren verschwunden; er schien nur noch Drache zu sein, und obwohl sie wusste, wie gefährlich er war, war sein Anblick, wie er im Schatten und im Licht der Sterne dastand, mit den Federn auf seiner Haut, die sich von den gefalteten Schwingen abhoben, atemberaubend.
Das ist der Stoff, aus dem die Legenden sind, dachte sie. Drachen und goldenes Licht, magische Felsen und Feuer, die hell brennen. Masken, Dämonen und Tänze in der Nacht.
Und es kam noch mehr, sie spürte es in ihrer Brust. Macht. Eine schlafende Macht, die sich rührte, die darauf wartete, sich zu erheben. Schmetterlinge flatterten in ihrem Mund, bereit zu fliegen.
»Gib mir die andere Hälfte der Jade«, befahl Lysander. Aber etwas in seiner Stimme wirkte befremdlich: Es war ein Zittern, fast ein Zeichen von Schwäche.
»Nein«, sagte Dean. Miri spürte, wie er ihr etwas Glattes in die Hände schob. Die Ränder des Gegenstandes waren rau, warteten auf ihr Gegenstück, um ein Ganzes zu bilden.
Dean tippte etwas auf ihr Handgelenk. Lauf. Lauf, so schnell du kannst.
Aber Miri blieb stehen und starrte an ihm vorbei auf den Drachen, auf das winzige Stück Jade, das er in seiner massigen Klaue hielt. »Sagen Sie uns, warum«, forderte sie ihn auf. »Sagen Sie uns, was passiert, wenn die Jade zusammengesetzt wird.«
»Miri«, zischte Dean, aber sie war vollkommen erledigt. Sie wollte nicht mehr, und wenn das hier das Ende sein sollte, also gut. Sie hatte bereits bei
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