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Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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zwei Tagen hier war und dieselbe Person jetzt fett und breit im Foyer meines Hotels sitzt.«
    »Das ergibt keinen Sinn.«
    »Es sei denn, hier steckt mehr dahinter, als wir im Augenblick sehen. Die Medien behaupten doch, dass die Opfer nichts miteinander zu tun hatten, richtig? Vielleicht haben sie sich ja geirrt.« Er stellte seine innere Vision ab, und die Welt manifestierte sich wieder; Licht strömte durch das Fenster auf ein Sofa, ein Fernsehgerät und einen kleinen Tisch. In der Mitte des Raumes stand ein Stuhl. Dean nahm den schwachen Geruch von etwas Metallischem wahr. Er ging vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer, sah unter den schmuddeligen Laken nach, bemerkte die liegen gelassene Fernbedienung, die Bücher, die auf dem Sims hinter dem Bett standen. Dean wühlte auch in dem Schrank herum und stieß mit den Knöcheln gegen eine Metallkassette. Er senkte seine Schilde und sah ...
    ... eine Gestalt, in Schatten gehüllt, mit einem harten Mund. »Du weißt, was du zu tun hast«, flüsterte er, »du kennst das Risiko, wenn du es nicht tust. Denn wenn das Buch ans Licht gezerrt wird, wenn das Buch Fleisch wird und er es jetzt findet...«
    Die Stimme erstarb ebenso wie die Verbindung. Dean versuchte sie wiederherzustellen, aber es gelang ihm nicht. Er wünschte sich, er wäre ein besserer Vergangenheitsschnüffler, ein stärkerer Psychometrist, und nicht nur ein Klarsichtiger. In seinen Visionen ging so viel verloren, blieb so vieles unvollständig.
    Koni stand in dem anderen Raum und rief leise nach ihm. Dean klemmte sich die Metallkassette unter den Arm und ging hinüber. Der Gestaltwandler stand an dem Stuhl und hielt ein kleines, vollgekritzeltes Notizbuch in der Hand, dessen Seiten mit Blut befleckt waren. Ein sehr vertrauter Anblick. Der Mörder hatte darin gelesen.
    »Das sind die Namen der anderen Opfer«, sagte Koni. »Und sogar ein paar mehr, vielleicht von Leuten, die noch nicht tot sind. Es stehen alle drin, zusammen mit ein paar Fotos.«
    Dean stellte die Metallkassette hin. Sie war mit einem Schloss gesichert, aber er versetzte diesem mehrere Schläge mit dem Knauf seiner Pistole, bis es herunterfiel. Dann klappte er den Deckel auf. In der Kassette lag eine Pistole.
    »Puh.« Dean nahm die Papiere heraus. Es stimmte, die Namen auf der Liste entsprachen denen der Ermordeten. Namen, Adressen, Telefonnummern. Alles auf Englisch, nichts auf Chinesisch.
    Seine Finger streiften über eine glatte Oberfläche. Ein Foto. Er zog es heraus und betrachtete es. Der Schnappschuss von einer Frau auf einem Stuhl in einem Coffee-Shop.
    Seine Knie gaben nach. Er stürzte schwer zu Boden, hörte kaum Konis erschrockenen Ruf, während der Schmerz durch seine Beine zuckte. Er konnte nur das Foto ansehen, die Frau anstarren, die mit ihren ernsten dunklen Augen irgendwo in die Ferne blickte. Mit diesen entzückenden, so vertrauten Augen.
    Dean schüttelte den Kopf, riss seinen Blick von dem Foto los, starrte zu Boden. Das konnte nicht wahr sein. Es war unmöglich. Vielleicht, dachte er ganz ernsthaft, habe ich ja einen Schlaganfall...
    »Dean.« Koni hockte sich neben ihn. »Mann, was ist los?«
    Dean schüttelte den Kopf, konnte nicht sprechen. Mit zitternden Händen drehte er das Foto um. Ein Notizzettel klebte daran, auf dem ein Name stand. Und ein Ort.
    Mirabelle Lee. Far Eastern Hotel. Room 2850. 21:00 Uhr, Lobby.
    Dean schloss die Augen, ließ die Welt außerhalb. Er fühlte das Medaillon auf seiner Haut, auf seiner glühenden Haut, und schmeckte den Namen, der auf dem Papier stand, rollte ihn in seinem Mund. Mirabelle Lee. Mirabelle. Miri.
    Nein, dachte er. Nein, tu dir das nicht an.
    Vermutlich war es eine andere Frau mit demselben Namen. So etwas kam vor. Und genauso gut war es möglich, dass sich vollkommen Fremde auch äußerlich ähnelten, wie zum Beispiel eineiige Zwillinge, bis hin zum Schönheitsfleck auf dem Kinn, der Form des Mundes, der Neigung des Kopfes. Zwillinge im Geiste, wie jene, die aus den Augen auf dem Foto leuchteten, Augen, die Dean jede Nacht in seinen Träumen sah.
    Na klar. Typisch. Nur Zufall.
    Dean rannte los. Er hörte, wie Koni seinen Namen rief, hörte, wie er ihm zu folgen versuchte. Aber er wartete nicht auf ihn. Er stürmte aus der Wohnung, die Treppe hinunter, aus dem Haus in die schwüle Nacht hinaus. Er achtete weder auf Drachen noch auf die Männer, die ihm folgten; er achtete auf gar nichts, als er quer durch den Verkehr rannte, sich durch die Menschenmenge pflügte, gegen die Hitze

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