Geliebte des Feuers
ist er mehr Mensch als Tier. Oder vielleicht ist mir das auch vollkommen egal. Er ist erledigt, so oder so.«
»Und er wird uns alle mit in den Untergang reißen. Es hat ihn nicht interessiert, wer seine Verwandlung da oben auf dem Dach gesehen hat. Er ist ein Drache, und es kümmert ihn keineswegs. Mist. Angeblich sind die Drachen die Vernünftigsten von uns. Und wenn er von diesem Gebäude weggeflogen ist...« Koni verstummte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Weißt du, wie ernst die Angelegenheit ist?«
»Ja.« Das wusste Dean nur zu gut. Geheimhaltung war für sie alle überlebensnotwendig. Sie hielten sich vor der Öffentlichkeit verborgen, erregten niemals Aufmerksamkeit. Das bot ihnen eine gewisse Sicherheit.
Aber jetzt war ein Gestaltwandler zum Massenmörder geworden, und Dean hatte entdeckt, warum er seine Opfer zu Asche verbrannte. Um zu verheimlichen, dass er sie gefressen hatte.
Und einige der Leute waren noch am Leben gewesen, als er angefangen hat, sie zu verspeisen.
»Das letzte Opfer liegt nur ein paar Stockwerke unter uns«, sagte er. Er schluckte, um seinen Brechreiz zu unterdrücken. »Es ist praktisch ein Nachbar des Mannes, dessen Tod ich untersuchen wollte. Der Tatort ist noch ganz frisch. Ich muss dorthin.«
»Und wenn er zurückkommt?«
»Dann kämpfen wir«, meinte Dean. »Oder flüchten. Je nachdem.«
Sie liefen rasch die Treppe hinunter, achteten auf Schritte eines Verfolgers und bogen im vierten Stock in einen schmalen Flur ein. Die flackernden Neonlampen schmerzten in Deans Augen, und die Luft in dem Gang war heiß und stickig. Er hörte das Geräusch von Fernsehgeräten, laute Stimmen, weinende Kinder, und roch Fett und Rauch. Einen Augenblick lang wurde ihm bei diesem Geruch übel. Er erinnerte ihn zu stark an seine eigene kochende Brust, an den kochenden Leichnam in seiner Vision, den Beutel mit Blut und Körperteilen. In Zukunft würde er sich vegetarisch ernähren.
Das Opfer hatte am Ende des Ganges gewohnt. Die Tür war nur angelehnt. Koni stieß sie auf.
In der Wohnung war es dunkel. Die Decke war niedrig. Das Fenster war zwar nicht verrammelt, aber die Scheiben waren schmutzig. Auf dem Fensterbrett standen Pflanzen. Der Deckenventilator drehte sich. Dean roch Knoblauch. Er wechselte seine Vision, die ein Netzwerk aus Energie zeigte, als er durch die Fäden ging und sich dabei immer wieder umdrehte. Er spürte die Echos eines schweren Todes, die Anwesenheit von Hunger, Feuer und Dunkelheit. Ein großer schwarzer Fleck bedeckte den Boden des Wohnzimmers. Asche. Dean hätte sich fast für noch mehr Vibrationen geöffnet, für die weitere Geschichte des Opfers. Aber er dachte an das Feuer ... Das konnte er im Augenblick nicht ertragen.
Aber von dem Mörder war nichts zu spüren. Er stellte sich sogar ans Fenster, wo sich der Gestaltwandler aufgehalten hatte, ging jedem seiner Schritte nach, fand aber nichts.
Das ergibt keinen Sinn, dachte er und schob die Waffe in das Halfter unter seinem Hemd. Es ist, als wäre der Mann tot.
Oder vollkommen in sich abgeschlossen. Er hatte die Energie gesehen, als er dem Gestaltwandler von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand. Eine verdrehte, eine schreckliche Energie. Aber war es wirklich möglich, dass manche Leute keine Spuren hinterließen, oder Wälle um sich errichten konnten, die alles zurückhielten, was zu ihnen gehörte? Wie konnten sie das erreichen? Wie war das möglich?
Dean verdrängte die Fragen. Er war nicht bereit dafür und wollte jetzt ganz bestimmt keine fatalen Mängel in seinen Fähigkeiten überdenken. Seine Klarsicht, seine gelegentlich auftretende Fähigkeit, die Gegenwart und Fragmente von der Vergangenheit zu sehen, hing von den Spuren der Lebenden ab. Ohne sie war er genauso blind wie jede andere Person. Was ihn nicht gerade fröhlich stimmte.
Einige Spuren in der Wohnung gehörten nicht dem Opfer, sondern einem anderen Menschen. Dean folgte ihnen kurz und fand sich an zwei verschiedenen Orten wieder. In einem grasigen Gelände außerhalb eines Gebäudes, das wie ein gigantischer Filter aus Beton aussah, und dann in einer goldenen Kaskade von Licht und Marmor, mit Lederstühlen und einer großen Buddhastatue, alles in Wänden, die ihm bemerkenswert vertraut vorkamen.
»Yo«, sagte er zu Koni. »Meintest du nicht, dass man mir vom Hotel aus gefolgt ist? Glaubst du, dass diese Burschen in irgendeiner Beziehung zu unserem Opfer stehen könnten?«
»Wie kommst du darauf?«
»Weil jemand vor ein oder
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