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Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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nahm vier, fünf Metallstufen auf einmal, gewandt und leichtfüßig. Gold schimmerte durch seine Tätowierungen, schwarze Federn wuchsen auf seinen Armen. Dean knirschte mit den Zähnen und rannte schneller. Er wusste nicht genau, was er tun würde, wenn er das Dach erreicht hatte, aber so lagen die Dinge nun mal. Er musste improvisieren, wie immer. Pläne waren was für Waschlappen.
    Koni erreichte das Dach vor Dean. Er wartete zusammengekauert vor der schweren Metalltür auf ihn. Schweiß lief ihm über den Körper. Er riss sich das Tanktop vom Leib und warf es weg. Die Turnhose hing ihm tief auf den Hüften, locker, damit er sie schnell ausziehen konnte, falls er sich verwandeln musste.
    »Er weiß, dass wir hier sind, stimmt’s?« Seine goldenen Augen glühten.
    »Immerhin brennen wir noch nicht«, antwortete Dean. Das war allerdings nur ein schwacher Trost. Wahrscheinlich starben sie sehr schnell. Alles andere würde ihn nur wundern.
    Koni öffnete die Tür und duckte sich tief, während Dean vorsprang und mit gestreckten Armen die Waffe hob. Warmer Wind schlug ihm ins Gesicht; er stank nach Asche und metallisch nach Blut. Und da, unmittelbar vor ihm, umrahmt von flatternder Wäsche und vor einem Himmel von funkelnden Wolkenkratzern und rostrot leuchtenden Wolken, stand ein großer Mann. Der größte, den Dean jemals gesehen hatte. Ein weicher, wie Gelatine wabbelnder Bauch hing über den Bund der engen Shorts, aus denen muskulöse Beine herausstakten. Über die breiten Schultern des Mannes fiel silberfarbenes Haar, das ein breites, flaches Gesicht umrahmte: prall von Fett. Es war ein gemeines Gesicht und ein noch gemeinerer Körper. Einen Augenblick lang fühlte sich Dean wieder wie ein Kind, das zu den Klebstoff schnüffelnden, Crack rauchenden Eisenhütten-Kumpeln hochsah, die auf seiner Straße in Philly herumhingen. Seine Vision wechselte; der Mann zerfaserte zu Fäden, die schnell vibrierten, sich fast verdoppelten, als wären zwei von ihm zusammengewickelt, dabei eine seiner Seiten dunkel und dicker als die andere. Die Fäden umschlangen sich, kämpften vielleicht miteinander. Es war keine Harmonie darin. Nur ein verflucht großes Durcheinander, das von harten Zeiten kündete.
    Aber er hinterließ keine Spur. Seine Energie blieb vollständig bei ihm selbst.
    Und er hielt einen blutverschmierten Plastikbeutel in der Hand.
    Dean öffnete den Mund, wollte schon das obligatorische »Ergib dich, Arschloch« ausstoßen, aber Koni gab ein ersticktes Keuchen von sich, das ihn alarmierte. Sein Finger verkrampfte sich am Abzug. Vergiss die Worte. Sollte die Parlamentärsflagge doch zur Hölle fahren.
    »Nicht«, stieß Koni hervor. Er stand auf und trat vor ihn. Dean wollte ausweichen, um ihn herumzielen, aber Koni drückte seine Brust gegen die Waffe. »Nein, das darfst du nicht«, sagte er.
    »Was zum Teufel tust du da?«, knurrte Dean.
    »Sieh ihn dir an.« Aus Konis Gesicht war alle Gelassenheit und Ruhe verschwunden, und seine Worte klangen fast so, als würde er betteln. Das war sehr ungewöhnlich, denn Koni war ein Mann, der sonst um nichts bat. »Sieh dir seine Augen an, Dean.«
    Dean tat ihm den Gefallen. Einen Moment lang begriff er nicht, denn der Anblick war zu seltsam, kam zu unerwartet. Aber dann bemerkte er das Glühen. Zwei glühende Punkte im Dunkeln. Golden. Und heiß.
    »O Scheiße!«, stieß Dean hervor. Der Mann vor ihnen war ein Gestaltwandler. Ein Feuer legender Gestaltwandler mit einem Plastikbeutel voll Blut und Knochen in der Hand. Dean hätte sich fast die Haare gerauft. Das waren genau die Kerle, die die Agentur aufspüren und beschützen sollte. Wie Koni oder Hari. Aber was, wenn sich ein Gestaltwandler in einen Mörder verwandelte?
    Nichts hat sich geändert. Er mordet, also wird er dafür bezahlen. Er versucht dir wehzutun, also tu ihm weh. Das sind die verdammten Spielregeln. Erst kommt das Überleben, danach werden die Fragen gestellt.
    Dean versuchte, seine Gedanken auszublenden - wie Yoda, der Jedi -, er versuchte die Furcht zu unterdrücken, die Verwirrung. Aber der Mörder lächelte, und das allein genügte, um Dean wie angewurzelt stehen bleiben und mit dem Gedanken spielen zu lassen, vom Dach zu springen. Scharfe Zähne ragten über der dicken Unterlippe des Mannes hervor, scharf, lang und weiß, und obwohl seine Augen noch heller glühten, kam es Dean vor, als ob sich in dieses Licht ein Schwarz mischte, eine gespenstische Dunkelheit, die ihm wie auslaufende Tinte in die

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