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Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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schien und den Holzboden und die weißen Wände in ihr reines, gutes Licht tauchte. Alles war vertraut und normal.
    Und surreal.
    Ihre Brust tat noch immer weh. Vielleicht waren es Phantomschmerzen. Die Wunden, die Lysander ihr zugefügt hatte, waren schon in den ersten Tagen geheilt, als sie mit Dean in dem Haus der alten tibetischen Frau geruht hatte. Miri hatte eigentlich eine längere Genesungszeit erwartet und erinnerte sich an jede Wunde, die sie davongetragen, an jeden Blutstropfen, den sie vergossen hatte. Aber schließlich war sie selbst davon überzeugt gewesen, dass sie nicht sterben konnte. Und wenn das zutraf, erschien es nur logisch, dass Verletzungen schneller heilten. Zerstreut rieb sie sich die harte Stelle zwischen ihren Brüsten; sie fühlte Stein, wo Fleisch sein sollte. Die Oberfläche fühlte sich organisch an, nach Haut mit Nervenenden und Blutgefäßen, die durch Worte und Stein führten. Das Gefühl war unheimlich, magisch.
    Aber sie gewöhnte sich allmählich daran. Ebenso wie ihr klar geworden war, dass sie niemals die bemerkenswerten Entdeckungen veröffentlichen oder diskutieren konnte, die sie während ihres Abenteuers gemacht hatte. Die Mumien, in denen die Jadesteine gelegen hatten, waren verschwunden, Owens Dateien waren vernichtet worden, und alle Computer und Notizen waren bei dem Feuer in der archäologischen Fakultät der National Taiwan Uni- versity verbrannt. Selbst die Fotos, die Owen nach Stanford geschickt hatte, waren spurlos verschwunden.
    Wendy, dachte Miri säuerlich. Oder Long Nu. Wie auch immer du heißt. Sie stellte sich vor, wie die alte Frau mit Owen Händchen hielt, der sich immer noch in Taiwan befand, und würgte ihren Ekel herunter. Ihr Freund und Mentor hatte keinen Schimmer, wer Wendy war, und er hatte auch nicht die geringste Ahnung, was wirklich in diesen wenigen Tagen geschehen war, die er orientierungslos und isoliert in einem luxuriösen Apartment am östlichen Rand von Taipeh verbracht hatte. Wendys Vorstellung von persönlicher Fürsorge bestand, wie sich herausstellte, darin, dafür zu sorgen, dass er nicht verhungerte oder zu Schaden kam. Sie hatte Owen nicht einmal besucht. Zu viele Fragen, wie sie zu ihrer Entschuldigung gesagt hatte.
    Und natürlich hatte sie von Dean und Miri verlangt, dass sie über ihre Beteiligung Stillschweigen bewahrten. Es brachte Miri fast um, sich daran zu halten. Sie hatte Owen noch nie belogen, nicht ein einziges Mal, aber wenn sie ihm von Wendy erzählte, musste sie ihm auch die Wahrheit über die Jade verraten, und dann über sich selbst und Dean und einen Haufen anderer Leute; und das betraf Wahrheiten, die ihr gar nicht gehörten. Miri hatte kein Interesse daran, Wendy zu helfen, aber was war mit Dean? Koni? Ihr selbst? Sie kannte Owen, man konnte ihm vertrauen. Trotzdem durfte man ein Versprechen nicht brechen, nicht wenn die Geheimhaltung für so viele Menschen so wichtig war.
    Also gut. Sie musste also mit einer Lüge leben. Sie musste zusehen, wie andere Owen Lügen auftischten. Und ganz gleich wie weh ihr das tat, sie musste den Mund halten.
    Vorläufig, sagte sich Miri. Aber nicht für immer. Schon deshalb nicht, weil sie sich ziemlich sicher war, dass Wendy dafür gesorgt hatte, dass Dean Owen nicht hatte aufspüren können. Und wenn Long Nu das bei Owen vermocht hatte, dann konnte die alte Frau auch sehr wohl die Verantwortung dafür haben, dass Miri und Dean zwanzig Jahre lang getrennt gewesen waren.
    Das war unverzeihlich.
    Sie hörte Schritte im Flur vor ihrer Tür. Leichte Schritte. Vermutlich Dean. Er sollte sie bald abholen.
    Doch es war nicht Dean, der die Tür öffnete und sie begrüßte, sondern Robert. Sein rotes Haar war zerzaust, seine grünen Augen passten perfekt zu seinem dunkelgrünen Hemd. Er hatte die Ärmel hochgekrempelt, und an seinem Hals blitzte etwas Silbernes. Miri wusste nicht, ob sie Hallo sagen oder schreien sollte.
    »Also«, begann er. »Mir ist so einiges zu Ohren gekommen. Ich habe das Gefühl, dass mein Job erledigt ist.«
    »Sie haben Ihren Job nie erledigt«, erwiderte Miri. »Obwohl Sie deswegen sicher genug gelitten haben.«
    »Das denke ich auch.« Er blieb in der Tür stehen. Miri stand ebenfalls auf.
    »Sind Sie aus einem bestimmten Grund hier?«, fragte sie unbehaglich. »Nein, halt! Wenn es ein unerfreulicher Grund ist, verraten Sie ihn mir bitte nicht.«
    »Ich wollte Ihnen nur versichern, dass unser Waffenstillstand immer noch gilt«, sagte Robert. »Ich bin nicht

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