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Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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haben, dachte Dean.
    Aber das würde er ihr niemals verraten, obwohl sie vielleicht sogar seiner Meinung war. Dean erinnerte sich an ihre Eltern. Ein kalter Mann und eine kalte Frau, die sie nur zum chinesischen Neujahr und irgendwann im Sommer besuchten. Sie blieben eine Woche, höchstens zwei, und standen in dieser Zeit immerzu hinter ihrer Tochter, sahen ihr über die Schulter, drillten sie bei den Hausaufgaben, entwarfen Pläne für sie, machten ihr klar, dass sie motivierter sein müsste, sich in der chinesischen Gemeinde mehr engagieren sollte. Sie redeten auch über Miris Freunde mit ihr, genau genommen über einen Freund. Sie hatte nur einen. Und der war ein Weißer - und arm.
    Abschaum. Sie sagten mir ins Gesicht, ich wäre Abschaum. Als wenn sie dadurch zu etwas Besserem würden.
    Dean holte tief Luft und ballte die Faust um den Stein. Das alles spielte jetzt keine Rolle mehr. Sondern nur dies hier, Miri und er. Trotz allem, was ihnen das Leben angetan hatte, waren sie wieder zusammen. Das konnte er nur dem Schicksal zuschreiben. Der Bestimmung.
    Steine.
    Dean schob den kleinen Stein wieder in ihre Handtasche und nahm die Jade heraus. Er hielt sie in den Händen, fuhr mit den Fingern über die wächserne Oberfläche. Der Stein hatte eine wundervolle Farbe, ein Rot wie auf Fotos von fernen Sternen oder kosmischen Wolken, ein tiefes Rot, durchsetzt von Orange und Pink, das tief in seinem Inneren leicht schimmerte. Im Stein gab es Einkerbungen, Symbole, denen Dean jedoch keine große Beachtung schenkte. Nicht die Oberfläche interessierte ihn, sondern etwas, das tiefer in dem Stein verborgen lag, Einkerbungen der Vergangenheit, Energielinien, die diese Jade einst umhüllt haben mussten wie die Haut und das Fleisch, das den Stein an seinem Platz gehalten hatte, als Teil von etwas Warmem und Weichem und ...
    »... Dunklem, das süß ist, mein Freund, weil selbst die Tage jetzt länger werden und ich mein Leben in Momenten zähle, viel zu vielen Momenten. Es schlummert ein Wahnsinn in mir, weil ich weiß, dass diese Momente nie enden werden, niemals. Menschen sind nicht umsonst sterblich, aber unsere Rasse muss weitermachen wie die Berge, das Meer. Das ist unnatürlich. Wenn ich sein könnte wie der Zaunkönig, wie ein einfaches Tier, und jeden Moment als frisch und neu wahrnähme, dann wäre die Bürde vielleicht nicht so erdrückend. Aber ich denke, ich habe ein fühlendes Herz, und zu viel um mich herum ist verfallen, während ich unaufhörlich weitermache.«
    »Also willst du einfach aufgeben?Du willst uns anderen den Rücken kehren? Das kannst du nicht tun. Bitte. Wir brauchen dich. Es gibt keine Rückkehr von diesem Ort, das weißt du.«
    »Keine Schuldgefühle. Ich werde nicht warten. Das Buch ist bereit für mich, und wenn ich jetzt nicht handle, wird es keinen anderen Zeitpunkt dafür geben. So viel habe ich gesehen. Bitte verzeih mir. Ich weiß nicht, was noch kommen wird, aber ich weiß, dass ich bedauern werde, dich verlassen zu haben. Doch das genügt auch nicht, um zu bleiben. Nicht mehr.«
    »Und die Macht, die du damit freisetzt? Ihre Wirkung kann nicht vorhergesagt werden. Es könnte Konsequenzen geben, die du nicht vorhersehen kannst...«
    »Nein. Nein, ich bin hier fertig. Und zwar jetzt. Ich bin so weit...«
    Die Stimmen der beiden Männer verstummten. Glühender Schmerz zuckte durch Deans Brust und Herz, sein brennendes Herz. Und er konnte nichts sehen. Dunkelheit, er war in der Dunkelheit gefangen, wälzte sich herum und wusste nicht, wie lange er an diesem schrecklichen Ort gewesen war. Aber als er schließlich die Augen öffnete, sah er in vertraute Gesichter. In das von Miri, die in einen dicken weißen Bademantel gehüllt war, und neben ihr war Koni, mit nackten Schultern, nackt bis zu den Zehenspitzen ... und mit einer blutenden Nase.
    Dean sah an ihnen vorbei zur Decke. Auf eine Decke, die sich bewegte, sich im Kreis drehte, rasend schnell.
    »Oh«, stieß er hervor. »Mir wird schlecht.«
    Dann rollte er sich auf die Seite und erbrach sich.

8
    Mit erheblicher Anstrengung und unter lautem Ächzen gelang es Koni und Miri, Dean ins Schlafzimmer zu schaffen, wo sie ihn auf die Tagesdecke legten. Die ganze Zeit über presste er seine Handflächen auf die Augen, der Kopf schmerzte ihn höllisch.
    Schließlich spürte er, wie sich jemand neben ihn setzte, und er hoffte inständig, es wäre Miri.
    »Dean ...«
    Er seufzte, als sie sein Gesicht streichelte. Ihre Finger fühlten sich kühl

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