Geliebte des Feuers
Dean sprach schon den Namen nur sehr ungern aus. »Ich habe diesen Robert danach gefragt, aber er hat es geleugnet. Immerhin kannte er jedoch den Namen. Die Sache ist wirklich verdreht.«
»Artur und Elena haben die Köpfe des Konsortiums erledigt.«
»Das glauben wir, ja, aber, zum Teufel noch mal. Wie viel wissen wir denn wirklich? Sie haben doch nur das Innere eines Labors und eines eleganten Hauses in Moskau zu Gesicht bekommen. Das ist aber gar nichts - für eine Organisation, die es sich angeblich zum Ziel gesetzt hat, zu einem verfluchten international operierenden Verbrechersyndikat aufzusteigen.«
»Ich muss einige Nachforschungen anstellen«, erwiderte Roland. »Haben Sie die Jade schon ... gelesen?«
»Ich war bisher immer nur damit beschäftigt, wegzulaufen und zu flüchten, aber das steht als Nächstes auf meiner Liste.«
»Tun Sie, was notwendig ist. Ihre Entscheidung, den zweiten Jadestein zu suchen, erscheint mir jedenfalls richtig. Vergessen Sie nur nicht, dass der, der dieses Ding unbedingt in seinen Besitz bringen will, sehr wahrscheinlich über ähnliche Mittel zu seinem Auffinden verfügt wie Sie. Vielleicht hat er sogar ähnliche Möglichkeiten wie wir. Niemand nimmt so viel Ärger in Kauf, wenn er nicht noch ein Ass im Ärmel hat.«
»Ich nehme an, das ist die Lösung. Wir haben es mit Leuten zu tun, die uns ähnlich sind.«
»Das wussten Sie ja bereits.«
»Aber es ist etwas anderes, wenn Sie es sagen.«
Roland seufzte. »Es ist alles nicht mehr so wie in der guten alten Zeit, Dean. Wir hatten es lange sehr leicht.«
»Weil wir dachten, wir wären die Einzigen? Oder weil wir es nur wissenschaftlich betrachtet haben und glaubten, unsere Hirne beruhten auf willkürlichen Irrtümern der Natur und es gäbe keine Magie? Vielleicht hätten wir es von Anfang an besser wissen sollen.«
»Vielleicht«, räumte Roland mürrisch ein. »Aber vielleicht hätte es auch keinen Unterschied gemacht. Vielleicht war es gut, dass wir eine Weile so arglos waren wie Babys.«
»Werden Sie auf Ihre alten Tage etwa weich?«
Roland knurrte. »Kann schon sein. Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht Eddie zur Seite stellen konnte. Er hätte diesem Brandstifter nur allzu gern Feuer unter dem Hintern gemacht.«
»Wie geht es seinem Blinddarm?«
»Nicht gut. Beinahe hätte man es nicht mehr rechtzeitig geschafft; er liegt immer noch im Krankenhaus, wo ihn eine Armee von heißen Krankenschwestern nach Strich und Faden verwöhnt. Es macht mich ganz krank.«
»Vielleicht können Sie ja irgendjemanden in der Luft zerreißen.«
»Noch ein paar von Ihren Geschichten, dann mache ich das vielleicht wirklich.« Damit legte er auf. Dean war nicht beleidigt. Roland mochte keine Verabschiedungsszenen, aber dadurch wirkte er noch mehr wie ein Fels, wie der Anker der Agentur, also etwas, das ihre Gründer Nancy Dirk und William Steele nicht gewesen waren.
Dean stand auf und ging zu Miris Handtasche. Er zögerte einen Moment, bevor er den Reißverschluss öffnete, aber die Notwendigkeit hatte Vorrang vor der Höflichkeit. Außerdem würde er ihre Sachen ja nicht durchwühlen. Jedenfalls nicht sehr.
Er fand ihren Pass, der aus einer Innentasche herauslugte. Das war gut. Es würde eine Weile dauern, bis die neuen Papiere für sie fertig waren. Er fand den Jadestein am Boden ihrer Tasche, zwischen Geld, Stiften und Papieren, aber als er ihn herausnahm, fiel sein Blick auf etwas Winziges, Graues, das daneben lag. Ein schmerzhafter Stich durchfuhr ihn, als er ihn zögernd berührte.
Es war ein kleiner, flacher herzförmiger Stein.
Sie hat ihn aufgehoben. Himmel, all die Jahre, und sie schleppt ihn immer noch mit sich herum.
Der Stein war kleiner, als er ihn in Erinnerung hatte, aber er wusste noch sehr genau, wie er ihn ihr geschenkt hatte. Miri hatte schon immer, solange er sie kannte, Steine geliebt. Sie sammelte sie, grub sie aus und erfand fantastische Geschichten über ihre Herkunft. Aber nur wenn sie allein war oder mit Dean und ihrer Großmutter zusammen. Bei niemandem sonst fühlte sie sich so sicher, dass sie nur sie selbst war. Die Lehrer in der Schule hatten geglaubt, sie verfolge einfach ihren Weg, ebenso wie ihre Eltern - und mehr sollte sie auch gar nicht tun. Eine große Erwartung, ein Leben, das nach den Richtlinien von jemand anders gelebt wurde. Arzt oder Anwalt, mehr gab es nicht. Mach das - und dann kommst du in den Himmel. Alles andere ist Scheitern.
Ein Glück, dass Miris Eltern sie nicht großgezogen
Weitere Kostenlose Bücher