Geliebte des Schattens - Kenyon, S: Geliebte des Schattens - Seize the Night (Dark Hunter 07)
hatte sie einen Mann in einem schwarzen Anzug mit schwarzem Hemd gesehen, doch sein Anblick verriet nur eins: Haute Couture auf der ganzen Linie. Edel und elegant.
Marla würde sterben - sofern Tabitha nicht vor ihr wegen Hormonvergiftung den Löffel abgab.
»Wie oft habe ich den Begriff verboten gut aussehen gehört, aber bei dir trifft er weiß Gott zu.«
Er sah sie stirnrunzelnd an.
Tabitha nahm ihn bei der Hand und zog ihn zur Treppe. »Komm, wir dürfen keine Zeit verlieren.«
»Wohin gehen wir?«
»Du musst mir einen Gefallen tun.«
Valerius fühlte sich seltsam geschmeichelt. Schließlich kam es praktisch nie vor, dass jemand ihn um etwas bat. Solche Dinge waren sonst Menschen vorbehalten, die einander als Freunde bezeichneten.
»Welchen denn?«
»Marla braucht jemanden, der sie zum Miss-Rotlicht-Schönheitswettbewerb begleitet.«
Valerius blieb abrupt stehen. »Wie bitte?«
Tabitha wandte sich ihm zu. »Ach, komm schon, stell dich nicht so an. Du bist doch Römer, Herrgott noch mal!«
»Das stimmt, aber das macht mich noch lange nicht zum perfekten Begleiter für einen Transvestiten. Tabitha, bitte!«
Sie sah so enttäuscht aus, dass ihn tatsächlich Gewissensbisse überkamen.
»Marla hat monatelang ihren Auftritt geprobt, und ausgerechnet heute hat ihr Begleiter sie hängen lassen. Ihre größte Konkurrentin hat ihn breitgeschlagen, stattdessen mit ihr hinzugehen. Wenn Marla den Wettbewerb nicht gewinnt, bringt sie das um.«
»Ich habe nicht die geringste Lust auf eine Horde schwuler Typen, die um mich herumscharwenzeln.«
»Niemand scharwenzelt um dich herum … zumindest nicht so, wie du es dir vorstellst. Du musst sie nur am Anfang begleiten, wenn die Teilnehmerinnen vorgestellt werden. Das Ganze dauert ein paar Minuten, und das war’s dann. Komm schon, Val. Marla hat ein ganzes Jahresgehalt für dieses Versace-Ballkleid hingeblättert.«
Tabitha sah ihn mit dem hinreißendsten Bettelblick an, den sie zustande brachte. Er schmolz dahin.
»So kurzfristig finden wir keinen Ersatz. Was sie braucht, ist ein eleganter Mann an ihrer Seite. Jemanden, der nach absoluter Spitzenklasse aussieht, und ich kenne niemanden, auf den das besser zutrifft als dich. Bitte, ja? Tu’s für mich. Ich schwöre, ich mache es wieder gut.«
Lieber hätte er sich an den Füßen aufhängen oder erstechen lassen … Trotzdem brachte er es nicht über sich, sie zu enttäuschen.
»Was wenn mich einer begrapscht?«
»Das werden sie nicht. Garantiert nicht. Ich werde deine …« Sie hob die Brauen und ließ den Blick über seine Kehrseite wandern. »… Vorzüge streng bewachen.«
»Aber wenn irgendjemand davon erfährt.«
»Das wird nicht passieren. Ich nehme das Geheimnis mit ins Grab.«
Valerius ließ langsam den Atem entweichen. »Ach, Tabitha, wann immer ich versucht habe, jemandem zu helfen, habe ich die Lage nur noch schlimmer gemacht. Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache. Bestimmt geht etwas schief. Du wirst sehen. Marla fällt von der Bühne und bricht sich das Genick oder, was noch schlimmer wäre, ihre Perücke fängt Feuer oder so etwas.«
Sie winkte ab. »Sei nicht paranoid.«
Nein, er war nicht paranoid. Auf dem Weg zur Haustür
kam ihm jede einzelne schreckliche Erinnerung seines Lebens in den Sinn. Als er Mitleid mit Zarek gehabt und ihn nach einer Tracht Prügel zu trösten versucht hatte, hatte sein Vater ihn, Valerius, prompt gezwungen, Zarek an seiner Stelle zu verprügeln. Er hatte versucht, die Wucht der Schläge zu mindern, sie weniger schmerzhaft für ihn zu machen, als die seines Vaters. Am Ende war er schuld gewesen, dass der arme Junge erblindet war.
Später hatte er zu verhindern versucht, dass Zarek geschnappt wurde, als er weggelaufen war. Sein Vater hatte damals einen Sklavenfänger angeheuert, damit der Junge aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen und fortgebracht wurde.
In seinen Anfangsjahren als General hatte es einen jungen Soldaten unter seinen Truppen gegeben, der der letzte Sohn seiner Familie gewesen war. In der Hoffnung, dem Jungen ein Schicksal auf dem Schlachtfeld zu ersparen, hatte er ihn als Kurier zu einem anderen römischen Lager gesandt.
Zwei Tage später war der Junge bei einem Überfall keltischer Barbaren getötet worden, denen er zufällig in die Arme gelaufen war.
Und Agrippina …
»Ich kann das nicht tun, Tabitha.«
Tabitha blieb auf der Treppe stehen und sah ihn an. Etwas in seiner Stimme sagte ihr, dass es ihm ernst war.
Sie spürte
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