Geliebte Diebin
sie vor schwere Karren gespannt wurden, auf denen sich Vorräte und Waffen türmten.
Zwei Männer waren tot. Eventuell sogar noch mehr.
Der Schatz war geraubt.
Die Ställe waren verbrannt, die besten Pferde gestohlen.
Und Yale war entführt worden.
Weil er dumm genug gewesen war, sich von einer Frau verzaubern zu lassen.
Von einer Betrügerin.
Er trat in das lange, niedrige Gebäude und verharrte sprachlos vor der leeren Box, in der sein Hengst gestanden hatte. Der Graue. Er war nicht mehr da. Phantoms Box war leer.
»Bei den Zähnen Gottes, das wird Rache geben«, knirschte er leise.
Ein Mensch kannte die Wahrheit. Und dieser Mensch war eine Frau, eine Schönheit, ein »Engel«, wie Tante Violet sie genannt hatte. Aye, ein Engel des Todes und des Betruges. Apryll von Serennog.
Er riss eine Heugabel aus einem glimmenden Heuhaufen und warf sie wie einen Speer gegen die Wand. Ein Pferd, das in der Nähe angebunden war, keilte aus und schnaubte verängstigt. Doch Devlynn merkte es kaum. All seine Gedanken kreisten um die verräterische, verführerische, herausfordernde Frau.
Bei den Göttern, er würde keine Ruhe geben. Er würde sie verfolgen. Und wenn er sie erwischte, würde er ihr voller Freude ihren hübschen, lügnerischen Hals umdrehen.
Sofort nachdem er mit ihr geschlafen hatte.
Apryll beobachtete den Zorn des Lords hinter der Sicherheit des Fensters der Kapelle. Sobald sie festgestellt hatte, dass das Feuer bekämpft war, war sie durch den Garten geflohen und über den ausgetretenen Weg zum ersten Ort gelaufen, der ihr eine Zuflucht bot. Sie hatte ihre Zuflucht gefunden: dieser große Raum, in dem ein paar Kerzen brannten. Sie hatte sich bekreuzigt und dann durch das Fenster gelugt, durch das sie nun den Lord sehen konnte. Er war gar nicht so, wie sie das erwartet hatte, nachdem er doch einen so schlimmen Ruf hatte.
Aye, er war groß, doch gab es Männer, die waren noch größer. Und er war breitschultrig und dennoch schlank, aber es war seine befehlende Art, die ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. Andere, die größer waren als er, schienen in seiner Anwesenheit zu schrumpfen. Er sprach jetzt zu einigen der Männer, dann ging er in den Stall, betrat den äußeren Schlosshof und gab Befehle, die sie nicht hören, die sie sich aber vorstellen konnte. Doch selbst in seinem Zorn glaubte sie nicht, dass er zu einem kaltblütigen Mord fähig war, so wie die Gerüchte es von ihm behaupteten. Ganz besonders nicht an seinem eigenen Kind. Nicht, nachdem sie gesehen hatte, wie viel sein Sohn dem Lord bedeutete. Aber würde er jemanden umbringen können, der seinem Kind ein Leid zugefügt hatte? Aye, das würde er bestimmt können. Sie wollte nicht so lange hier bleiben, um das herauszufinden.
Wie konnte sie entkommen? Das Fallgatter war heruntergelassen worden, die Tore waren geschlossen und Apryll wäre eine Idiotin, wenn sie glaubte, dass der Baron nicht jede Nische des Schlosses würde durchsuchen lassen. Es gab Fluchtmöglichkeiten innerhalb des Schlosses, dessen war sie sicher. Jede Festung hatte solche Wege, geheime Gänge und Hintertüren, die hoch in die Wände eingelassen waren, aus denen die Soldaten unbemerkt herausschleichen konnten. Doch sie hatte natürlich keine Ahnung, wo sich diese Türen befanden. Sie konnte ihr Schicksal versuchen und Devlynn gegenübertreten, sie könnte auf ihn zugehen und ihn um Vergebung bitten, ihm anbieten, ihm zu helfen, seinen Sohn zu finden. Sie ahnte jedoch, dass ihre Bemühungen lediglich kalte, grausame Verachtung in ihm hervorrufen würden. Dieser verdammte Payton, warum hatte er sie im Stich gelassen? War das von vornherein seine Absicht gewesen?
»Gott hilf mir«, flüsterte sie und blickte zu dem Kruzifix über dem Altar. Sie konnte sich in der Kapelle nicht ewig verbergen. Auch hier würde sie entdeckt werden, und sie kannte Black Thorn nicht gut genug, um ein gutes Versteck finden zu können. Auf die eine oder andere Art musste sie entkommen, musste ihren Bruder finden und den Jungen irgendwie befreien. Erst dann würde sie in der Lage sein, Lord Devlynn wieder gegenüberzutreten.
Als sie nun verfolgte, wie ein untersetzter Mann - der Priester! - zusammen mit einer Frau auf die Kapelle zukam, sank ihr Herz. Wo sollte sie hin? Ganz sicher nicht hinter den Altar. Hastig schlich sie in ein Zimmer neben der Kapelle, in dem eine schmale Pritsche stand und ein kleiner Tisch. Ein Alkoven wurde von einer Gardine verdeckt. Rasch schlüpfte Apryll hinter den
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