Geliebte Diebin
rief Yale, schlug zu und zog sich zurück. »Sollen wir uns duellieren?«
»Lieber nicht.« War der Junge blöd? »Dein Schwert ist aus Holz. Meines ist aus Stahl. Das wäre keine richtige Herausforderung.«
»Ich könnte Euch auch ein Schwert schnitzen«, bot der Junge an und schwang seine »Klinge«. Er beobachtete, wie der Schatten über die morschen Wände tanzte. Payton biss die Zähne zusammen. Er brauchte mehr als nur ein wenig Schlafmittel, er würde gerne ein ganzes Fass davon in diesen Jungen stopfen. Vielleicht sollte er mit diesem »Spiel« ein Ende machen, den Jungen fesseln und knebeln, damit er endlich seine Ruhe hatte.
Plötzlich hörte Yale auf, gegen seinen eingebildeten Feind zu kämpfen. »Von jetzt an soll mein Name Tod sein.«
»Tod?«, fragte Payton verblüfft. »Warum?«
»Weil alle die gemeinen Typen teuflische Namen haben. Und da ich ein Teil Eurer Bande bin« - er sah sich in dem höhlenartigen, schäbigen Raum um und zog dann eine Augenbraue hoch, um anzuzeigen, dass sonst niemand innerhalb dieser vier Wände war - »werde ich ebenfalls einen gefährlichen Namen haben. Von jetzt an könnt Ihr mich Tod nennen. Nur darauf werde ich jetzt noch reagieren.«
Gott sei Dank, dachte Payton und rieb sich über die Schläfe. Vielleicht würde der Junge jetzt mal Ruhe geben. »Roll dich in deine Decke ein«, befahl Payton. »Es ist Zeit, zu schlafen.«
Yale schien ihn nicht gehört zu haben.
»Ich habe gesagt, leg das Schwert beiseite und schlafe.«
Der Junge warf ihm einen tadelnden Blick zu.
»Sofort!«
Er rührte sich nicht.
Payton machte einen Schritt nach vorn und zu seinem Erstaunen zuckte der Junge nicht zurück, sondern tat das Gleiche. Payton stieß den Atem aus - und der verdammte Junge ahmte ihn nach: Er seufzte laut. Payton fuhr sich mit den Händen durch sein Haar. Er konnte den Jungen nicht einschüchtern. Würde er ihn wirklich erst verletzen müssen? Auch Yale fuhr sich mit den Händen durch sein Haar, dann rollte er mit den Augen, genau wie sein Bewacher es getan hatte.
»Was soll das?«, fragte Payton.
»Was soll das?«, kam die Antwort.
»Hör mir zu, Junge, wenn du weißt, was gut für dich ist, dann wirst du dich ...«
»Hör mir zu, Junge, wenn du ...«
Payton machte einen Satz nach vorn und packte den Jungen an seiner Tunika. »Du sollst mich nicht verspotten.«
»Du sollst mich nicht verspotten.«
»Bist du blöde, Junge? Ich könnte dir mit einer Hand den Hals herumdrehen.«
»Ich bin nicht blöde und mein Vater könnte Euch Euer verdammtes Rückgrat brechen, Knochen um Knochen, mit nur einem Finger. Und jetzt denkt daran, mich bei meinem neuen Namen zu nennen, Tod.«
So sei es, dachte Payton resigniert. »Also dann, Tod, es würde dir gut tun, dich jetzt in deine Decke zu rollen, die ich dir freundlicherweise überlassen habe, und zu schlafen.« Langsam gab er den Jungen frei und zu seiner Überraschung tat der Junge genau das, was er ihm befohlen hatte. Er nahm sich eine der Felldecken, suchte sich eine saubere Stelle auf dem Boden, weit weg von dem Eulenkot, aber noch nahe genug dem Feuer, um seine Wärme zu fühlen, und legte sein hölzernes
Schwert neben sich. Dann bedachte er Payton mit einem jungenhaften Grinsen.
»Gute Nacht«, sagte er.
»Auch dir eine gute Nacht.«
Der Junge starrte ihn mit seinen verdammten grauen Augen an, die denen seines Vaters so ähnlich waren. In einer Geste, die viel älter war als seine Jahre, zog er eine seiner schwarzen Augenbrauen hoch.
Payton verstand. »Gute Nacht, Tod.«
Offensichtlich zufrieden schloss der Junge die Augen, rollte herum und drehte dem Feuer den Rücken zu. Ein paar Sekunden später war er schon eingeschlafen. Er schnarchte leise und redete Gott sei Dank nicht weiter.
Die angespannten Muskeln in Paytons Schultern lockerten sich ein wenig und er entschied sich, einen Krug Wein zu öffnen.
Nach den letzten beiden Tagen und Nächten hatte er sich wahrhaftig einen Becher Wein verdient.
Vie ll eicht auch zwei.
Tod. Das war ein dämlicher Name. Blöde. Ein Beweis für die Unschuld des Jungen und für seine Doofheit. Tod. Payton ging hinüber in die Ecke des Raumes, in denen die Vorräte aufbewahrt wurden und warf einen Blick in das Eulennest. Der Vögel hatte das Nest verlassen, um den Menschen und dem Feuer zu entfliehen und lieber zu jagen. Tod.
Payton griff nach dem Weinkrug, zog den Korken heraus und nahm einen großen Schluck. Die Flüssigkeit rann beruhigend durch seinen Hals, und er
Weitere Kostenlose Bücher