Geliebte Feindin
zurückkommt.«
Sie wollte seiner Bitte gerade Folge leisten, als Jimbo einen Schritt zur Seite trat und sie das Wappen entdeckte. »Das ist die Kutsche meines Vaters«, rief sie erstaunt. »Woher, um Gottes willen, konnte er wissen, daß wir wieder in London sind?«
Colin konnte ihr keine Antwort mehr geben, da sie schon aus dem Büro stürmte. Er schob die Pistole in seine Tasche und lief ihr nach.
Sara zwang sich, langsam zu gehen, aber ihr Magen flatterte plötzlich. Sie hoffte inbrünstig, daß ihr Vater und Nathan sich einig waren – aber was hatten all die anderen Männer hier zu suchen?
»Mach dir keine unnötigen Sorgen«, flüsterte sie sich selbst zu und raffte die Röcke, um die Straße zu überqueren, als ihr Vater aus der Kutsche stieg.
Der Earl of Winchester wurde von vielen Menschen als vornehmer Mann angesehen. Er hatte volles silberfarbenes Haar, und er war eher kräftig als dick und sehr groß. Seine Augen hatten die gleiche haselnußbraune Farbe wie die von Sara, aber das war auch die einzige Ähnlichkeit. Seine Adlernase fiel jedem sofort auf, und seine Lippen, die er die meiste Zeit fest zusammenpreßte, waren so schmal, daß sie fast nicht zu sehen waren.
Sara hatte keine Angst vor ihrem Vater, aber er beunruhigte sie, weil sie nie voraussehen konnte, wie er reagierte. Sara verbarg ihre Besorgnis und eilte pflichtschuldig auf ihren Vater zu, um ihn zu umarmen. Nathan beobachtete, daß der Earl bei der Berührung stocksteif wurde.
»Ich bin überrascht, dich zu sehen, Vater«, begann Sara und trat zurück, um Nathans Arme zu ergreifen. »Wie hast du von unserer Ankunft erfahren?«
»Ich habe Männer im Hafen postiert, die mir Bescheid geben sollten, sobald die Seahawk einläuft, Sara. Jetzt komm nach Hause, wo du hingehörst.«
Der ärgerliche Unterton in seiner Stimme erschreckte Sara, und sie rückte ein wenig näher zu Nathan.
»Nach Hause? Aber Vater, ich bin Nathans Frau und ich bin dort zu Hause, wo er zu Hause ist. Sicher hast du bemerkt …«
Sie brach ab, als sich die Kutschentür öffnete und ihre ältere Schwester Belinda ausstieg.
Gütiger Himmel, Sara war selbst schockiert, daß sie gar nicht erfreut war, sie zu sehen. Belinda lächelte, und das war immer ein schlechtes Zeichen. Sie war nur dann glücklich, wenn sie jemandem Schaden zufügen konnte.
Sara stellte fest, daß Belinda während ihrer Abwesenheit beträchtlich zugenommen hatte und daß das goldfarbene Kleid ziemlich spannte. Belinda war früher ein ausgesprochen hübsches Kind gewesen, und alle Männer der Familie hatten sie vergöttert. Mit ihrem goldblonden Haar, den himmelblauen Augen und den Grübchen in den Wangen hatte sie jeden bezaubert, aber als sie älter geworden war, waren ihre Wangen so rund geworden, daß die Grübchen nicht mehr zu sehen waren, und ihr Haar nahm eine mausgraue Farbe an. Der Liebling der Winchesters war zu einer unansehnlichen, zur Rundlichkeit neigenden Person geworden, und Belinda stopfte aus Enttäuschung darüber immer mehr in sich hinein.
Sara hingegen hatte als Kind eher linkisch und ungeschickt gewirkt, und niemand außer ihrer Mutter und der Kinderschwester hatte ihr Beachtung geschenkt.
Es war eine Sünde, seine eigene Schwester nicht zu mögen, und allein aus diesem Grund versuchte Sara, Belinda freundliche Gefühle entgegenzubringen und ihren grausamen Wesenszug zu entschuldigen. Sara nahm hauptsächlich Belindas gute Seiten zur Kenntnis, und deshalb fiel es ihr nicht allzu schwer, sie einigermaßen herzlich zu begrüßen. »Belinda, wie schön, dich wiederzusehen.«
Belinda starrte Nathan unverschämt an, während sie erwiderte: »Ich bin froh, daß du endlich wieder zu Hause bist, Sara.«
»Ist Mutter auch hier?« fragte Sara.
»Deine Mutter ist dort, wo sie hingehört – zu Hause«, entgegnete der Earl of Winchester barsch. »Steig in die Kutsche, Tochter. Ich möchte keinen Ärger, aber ich bin auf alles vorbereitet. Du kommst mit uns, und niemand wird erfahren, daß du mit diesem Marquis zusammen warst, wenn wir …«
»O Papa«, unterbrach ihn Belinda, »du weißt, daß das nicht wahr ist. Alle Welt weiß schon davon. Wir haben doch so viel Mitleid ertragen müssen, nachdem Sara verschwunden war.«
»Schweig!« brüllte der Earl. »Du wagst es, mir zu widersprechen?«
Sara bewegte sich so schnell, daß Nathan sie nicht zurückhalten konnte. Sie drängte sich zwischen ihren Vater und Belinda und verteidigte ihre Schwester: »Belinda wollte dir bestimmt
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