Geliebte Feindin
nicht allzu sehr zu Herzen zu nehmen.
»Aber ich kann auch eine intelligente Unterhaltung mit deinen Gästen führen und bin sicher, daß mich kein Thema überfordert. Ich bin sehr belesen.«
Seine Heiterkeit verflog. Offensichtlich war sie der Meinung, daß er sie nur als Zierde betrachtete, die dem Namen ihres Mannes Ehre machte, und mit einemmal wurde ihm klar, daß er so schäbig war wie der Rest der St. James-Familie. Er war wirklich ein Dickschädel.
»Du kannst niemanden einstellen, der eine so vornehme Erziehung genossen hat«, fuhr Sara kleinlaut fort.
»Ist das alles?« wollte er wissen. »Oder gibt es noch etwas, was man dir beigebracht hat.«
Sie war am Boden zerstört. Gab es denn gar nichts, was auf diesen ungehobelten Kerl Eindruck machte?
»Was meinst du?«
»Zum Beispiel, wie eine Frau ihrem Mann im Bett Freude bereitet.«
Sie wurde knallrot. »Natürlich nicht«, stammelte sie. »Du meinst, jemand hätte mich darin unterrichten sollen …« Plötzlich stampfte sie auf seinen Fuß. »Wie kannst du es wagen, auch nur anzunehmen, man hätte mir solche … Dinge …«
Ihr fehlten die Worte. Sein Blick brachte sie vollends durcheinander, und sie war sich nicht sicher, ob sie in Tränen ausbrechen oder ihn umbringen sollte.
»Aber diese Pflichten könnte ja eine Geliebte übernehmen«, sagte er, um sie noch mehr zu reizen. Guter Gott, es machte wirklich Spaß, sie auf die Palme zu bringen. Sie reagierte so offen und war nicht in der Lage, ihre Gefühle zu verstecken. Natürlich wußte er, daß er dieses Spiel nicht zu weit treiben durfte, aber es amüsierte zu sehr, als daß er es jetzt hätte beenden können.
»Du wirst keine Geliebte haben!« fauchte sie und trat ihm erneut auf den Fuß. »Es ist ganz egal, wie hübsch sie ist oder wie … talentiert … Ich dulde das auf keinen Fall.« Sie gab ihm keine Möglichkeit, etwas zu erwidern und fügte hinzu: »Und du wirst dir in Zukunft auch nicht mehr die Freiheit herausnehmen, in meinem Bett zu schlafen, Nathan. Möglicherweise gestatte ich es dir, wenn du mir eine Zeitlang den Hof gemacht hast und wir von einem Priester getraut worden sind.«
Er schwieg und zuckte nur mit den Achseln.
Wie hatte sie jemals denken können, daß er auch nur im geringsten anziehend war? Himmel, sie wünschte, sie hätte genügend Kraft, ihm einen gewaltigen Tritt in den Hintern zu versetzen, statt dessen sagte sie jedoch relativ ruhig: »Wir sprechen über sehr ernste Dinge, Nathan, und wenn du noch einmal so unbeteiligt mit den Schultern zuckst, dann schreie ich.«
Er hielt es für besser, sie nicht darauf aufmerksam zu machen, daß sie schon seit geraumer Zeit schrie, dafür wies er sie mit sanfter Stimme zurecht: »Du ereiferst dich, meine Liebe. Ich betrachte diese Unterhaltung nicht unbedingt als ernste Diskussion.«
Sie nahm einen tiefen Atemzug und setzte zu einem letzten Versuch an: »Nathan, ich bitte dich, versuch meine Gefühle zu verstehen. Ich bin der Meinung, daß es sehr unschicklich wäre, wenn wir die Nächte in einem Raum verbringen.« Es war ihr zu peinlich, dieses Thema weiterzufolgen, deshalb fragte sie: »Wirst du mich heiraten oder nicht?«
»Das habe ich schon getan.«
Ihr Zorn kannte fast keine Grenzen mehr, und um einen Ausbruch zu vermeiden, heftete sie ihren starren Blick auf seine Brust, bis sie sich ein wenig beruhigt hatte.
Nach langem Schweigen murmelte sie: »Mein Anliegen dürfte nicht allzu schwer zu verstehen sein – nicht einmal für einen St. James. Ich möchte, daß um mich in anständiger Form geworben wird, und es ist einfach nicht schicklich, daß du mich anrührst, bevor wir Gottes Segen für unsere Ehe bekommen haben. Hörst du überhaupt, was ich sage?«
»Jedes Wort ist laut und deutlich zu hören, Miss«, ertönte eine Stimme hinter ihr. Sara wirbelte herum und sah sich zehn grinsenden Männern gegenüber, die das Gespräch offenbar mit Interesse verfolgt hatten.
»Ja, und ich wette, er hat auch jedes Wort verstanden«, warf ein anderer Mann ein. »Ihr wollt nicht, daß Euch der Captain anfaßt, bevor er Euch noch einmal geheiratet hat. Hab’ ich recht, Headley?«
Der Angesprochene, ein kahlköpfiger Mann mit breiten Schultern, nickte. »Genau das habe ich auch gehört.«
Sara schämte sich entsetzlich. Hatte sie wirklich so laut geschrien, daß die ganze Mannschaft aufmerksam geworden ist? Sie wandte sich wieder Nathan zu. »Mußt du mich unbedingt in eine solche Verlegenheit bringen?«
»Oh, dazu
Weitere Kostenlose Bücher