Geliebte Feindin
brauchst du meine Unterstützung weiß Gott nicht, Braut. Geh jetzt in die Kajüte«, befahl er, »und zieh dieses Kleid aus.«
Diese Aufforderung versetzte sie in Alarmbereitschaft. »Warum? Gefällt es dir nicht?«
»Zieh dich ganz aus, Sara, ich komme in ein paar Minuten nach.«
Ihr Herzschlag setzte aus, als ihr die volle Bedeutung seines Befehls aufgegangen war, und sie war so außer sich, daß sie nicht einmal mehr versuchte, einen Protest vorzubringen. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und ließ ihn stehen.
Als sie an Jimbo vorbeikam, flüsterte sie: »Ihr hattet recht, Mister Jimbo, Nathan spinnt.«
Der Seemann konnte keine Antwort geben, da Sara ihren Weg, ohne innezuhalten, fortsetzte.
Sie ging gemessenen Schrittes bis zur Offiziersmesse, aber dann raffte sie die Röcke und rannte, als ob der Teufel hinter ihr her wäre, zur Kajüte ihrer Tante.
Trotz seiner gebeugten Haltung und seines Alters konnte Matthew sehr schnell sein, wenn es die Situation erforderte. Er stand in Noras Kajüte, als Sara die Tür aufriß, und machte einen Satz zur Seite.
»Lady Sara, ich hoffe, daß Ihr Nora jetzt nicht stört«, sagte er hinter ihr.
Sie zuckte heftig zusammen. »Ihr habt mich zu Tode erschreckt«, begann sie. »Ihr solltet anderen Menschen nicht auf diese Weise auflauern, Sir. Wie heißt Ihr?«
»Matthew.«
»Ich freue mich, Euch kennenzulernen«, entgegnete sie. »Ich möchte nur nach meiner Tante sehen.«
»Ich fühle mich für das Wohl Eurer Tante verantwortlich«, erklärte Matthew. »Sie ist nicht in der Lage, heute Besuch zu empfangen. Sie ist völlig erschöpft.«
Sara empfand plötzlich Schuldgefühle – sie war in der Absicht gekommen, Nora ihr Herz auszuschütten und sie um Hilfe zu bitten, aber sie hatte nicht einmal daran gedacht, daß ihre Sorgen im Vergleich zu Noras Zustand unwichtig waren. »Nora ist doch nicht schwerkrank, oder?« fragte sie ängstlich. »Ich habe die Blutergüsse gesehen, aber ich dachte nicht …«
»Sie wird schnell wieder auf die Beine kommen«, erklärte Matthew, der über ihre offensichtliche Fürsorge sehr erfreut war. »Sie braucht nur sehr viel Ruhe und darf sich nicht bewegen. Ihre Rippen sind gebrochen …«
»Großer Gott, das habe ich nicht gewußt.«
»Ist ja gut, fangt nur nicht an zu weinen«, beruhigte Matthew sie, weil ihm ihre Augen verdächtig trüb erschienen. Er war vollkommen hilflos, wenn eine Frau in seiner Gegenwart in Tränen ausbrach, und schon allein die Vorstellung, daß er die Frau des Captains trösten müßte, bereitete ihm Übelkeit. »So schlimm ist es nun auch wieder nicht. Wir haben ihren Brustkorb bandagiert, und jetzt muß sie sich gründlich ausruhen, das ist alles. Ich möchte nur nicht, daß sie sich über irgend etwas aufregt.« Bei dieser letzten Bemerkung warf er Sara einen vielsagenden Blick zu.
Sara erkannte sofort, daß er genau wußte, weshalb sie hergekommen war und ließ den Kopf hängen, als sie sagte: »Ich wollte Nora um Rat fragen, aber ich werde sie natürlich nicht stören, und auf keinen Fall möchte ich sie aufregen. Würdet Ihr meiner Tante, wenn sie aufwacht, bitte ausrichten, daß ich sie besuche, sobald sie nach mir ruft?«
Matthew nickte. Sara streckte die Hand aus. »Danke, daß Ihr Euch um Nora kümmert. Sie ist eine so gutherzige Frau, und sie hat sehr viel durchgemacht, Mister Matthew, und das alles meinetwegen.«
Wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen, und Matthew versicherte schnell: »Nein, Ihr habt Eure Tante doch nicht so zugerichtet. Ihr könntet niemals jemandem die Rippen brechen. Ich habe gehört, daß Euer Vater und seine Brüder dafür verantwortlich sind.«
»Mein Onkel Henry hat sie so schändlich behandelt, aber dennoch trage ich die Schuld. Ich hätte Nora niemals bitten dürfen, nach England zu kommen.«
Sie beendete ihre Erklärungen und zauberte ein Lächeln auf Matthews Gesicht, indem sie seine Hand kurz drückte und ihm mit einem vollendeten Knicks versicherte, daß sie sehr erfreut sei, daß er zur Mannschaft ihres Mannes gehöre.
Matthew rieb sich die Stirn, als sie die Kajüte verließ, und dachte daran, wie verrückt sich alles entwickelte. Sara war ihm entsetzlich auf die Nerven gegangen, als sie sich so hysterisch aufgeführt hatte, und jetzt gefiel sie ihm so gut, daß er ein Lächeln nicht unterdrücken konnte.
Sara war in Gedanken noch immer bei ihrer Tante, als sie die Tür zu ihrer eigenen Kajüte öffnete. Aber in dem Moment, in dem ihr Blick auf
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